Forschungsfrage: Wie sollen Unternehmen ihre Krisenkommunikation ausrichten, um auf einen Shitstorm in sozialen Netzwerken zu reagieren?
Inhaltsverzeichnis
1.1 Themenstellung und Relevanz der Themenstellung. 4
1.2 Formulierung der Forschungsfrage. 5
1.4 Methodische Vorgangsweise. 5
3.2 Abgrenzung und Charakteristika. 13
4 Krisenkommunikation für Unternehmen in sozialen Netzwerken.. 14
4.1 Krisenformen und Krisenphasen.. 14
4.2 Strategien der Krisenkommunikation.. 15
4.3 Bedeutung der Krisenkommunikation in sozialen Netzwerken.. 17
5 Strategien im Umgang mit einem Shitstorm in sozialen Netzwerken aus Unternehmenssicht 19
5.1.1 Social-Media-Guideline. 19
5.1.3 Social-Media-Monitoring. 22
5.2 Shitstorm-Intervention.. 24
5.2.1 Grundsätze möglicher Reaktionen.. 24
5.2.2 Reaktionen in der Praxis. 26
5.2.3 Gebote und Verbote für Reaktionen.. 27
5.3 Shitstorm-Rehabilitation.. 29
5.3.1 Unternehmensreflexion.. 29
6 Conclusio und Ausblick auf Anschlussforschung.. 33
Abstract
The aim of this thesis is to investigate and identify the present status of academic literature about strategies of corporate communication in social networks, particularly crisis communication in shitstorms. The thesis compares given literature critically and unites various strategies of crisis communication.
This thesis first examines the terms crisis communication, social networks and shitstorm and then bridges over to the historical backgrounds and the characteristics of a shitstorm to provide basic knowledge for further reading.
In a second step, the thesis deals with crisis communication and strategies of crisis communication and their implications on social network management.
A detailed central section, provides communication strategies how to cope with a shitstorm in social networks specially. The dimensions prevention, intervention and rehabilitation comprise guidance, recommendation and suggestions regarding a shitstorm.
In conclusion, the thesis argues that further research has to be done in order to close the gaps of knowledge regarding the dynamic of a shitstorm. Moreover, the author recommends to do more studies on the mass effect of shitstorms in social networks.
This thesis hopes to offer useful practical tips including rules, a basic round-up of the current status of academic literature and a small contribution to research on the internet phenomenon shitstorm.
1 Einleitung
1.1 Themenstellung und Relevanz der Themenstellung
Mit den rasant wachsenden Nutzerzahlen von sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter, YouTube, Instagram und Blogs haben sich in den letzten Jahren mächtige und moderne Kommunikationskanäle entwickelt, vor denen sich Unternehmen nicht verschließen können. Auf die folgende Frage haben im Jahr 2014 immerhin 38% aller befragten Unternehmen mit positiv geantwortet.
„Führt Ihr Unternehmen für eigene Unternehmensziele Social-Media-Aktivitäten (z.B. Bearbeitung von Blogs, Einrichtung von Kundenforen, Profile in sozialen Netzwerken, Tw366itter, Video-Plattformen, etc.) durch?“[1]
Mindestens 70% der global umsatzstärksten Unternehmen pflegen einen Twitter oder Facebook Account. Knapp 70% unterhalten einen eigenen YouTube Kanal.[2]
Steigende Nutzerzahlen quer durch alle Bevölkerungsgruppen gepaart mit der zunehmenden Aktivität von Unternehmen in sozialen Netzwerken werfen neue und bis dato unbeantwortete Fragen auf. Soziale Netzwerke sind – wie alles Neue – Chance und Risiko zugleich. Ein gelungener Auftritt im World Wide Web kann für KMUs bis zum Weltkonzern zu mehr Erfolg führen. Andererseits muss eine soziale Webpräsenz wohl durchdacht und strategisch sowie taktisch geplant sein um auf unerwartete Meldungen des virtuellen Gegenübers kompetent und professionell reagieren zu können. Vor allem die für Unternehmen potentiell negativen Auswirkungen eines Shitstorms innerhalb oder außerhalb ihres Auftrittes in sozialen Netzwerken will diese Arbeit behandeln. Andererseits will diese Arbeit auch Möglichkeiten beleuchten, wie Unternehmen einen Shitstorm zu ihrem Vorteil nutzen können und möglicherweise sogar einen Erfolg in der Öffentlichkeitsarbeit verzeichnen.
Beginnend bei der Identifikation über die Analyse bis zu Empfehlungen für Maßnahmen bei einem aufkommenden oder bereits anhaltenden Shitstorms müssen Unternehmen mit Präsenz in sozialen Netzwerken Strategien in peto haben, um geeignet, rechtzeitig und professionell auf eine Empörungswelle reagieren zu können.
1.2 Formulierung der Forschungsfrage
In dieser Arbeit soll folgende Forschungsfrage beantwortet werden:
Wie sollen Unternehmen ihre Krisenkommunikation ausrichten, um auf einen Shitstorm in sozialen Netzwerken zu reagieren?
1.3 Stand der Literatur
Strategische Konzepte zur externen Krisenkommunikation von Unternehmen werden in der Literatur ausführlich behandelt. Es liegen vielfältige wissenschaftliche Quellen und Studien vor. Standards setzt in diesem Bereich der schweizer Universitätsprofessor BRUHN.[3]
Die Öffentlichkeitsarbeit und Unternehmenskommunikation haben ihren festen Bestandteil in der Betriebswirtschaftslehre. Wissenschaftliche Publikationen zu diesen Themen finden sich auch regelmäßig in Fachzeitschriften für Marketing und Journals.[4]
Betreffend das Phänomen Shitstorm in sozialen Netzwerken und dessen kostenintensive Begleitprozesse dünnt sich die wissenschaftliche Erkenntnislage rasch aus. Erwähnt werden muss hier hingegen der Kommunikationsberater STEINKE, der mehr als jede andere Autorin oder jeder andere Autor der digitalen Welt in seiner Arbeit Platz einräumt.[5]
Die aktuelle Literatur gibt zwar Handlungsempfehlungen und Tipps, wie man aus Unternehmenssicht einem Shitstorm begegnen soll, allerdings legt jede Arbeit den Fokus auf eine andere Phase eines Shitstorms oder die Autorinnen und Autoren geben widersprüchliche Handlungsempfehlungen.[6]
Diese Arbeit will den gegebenen Stand der Literatur kritisch miteinander vergleichen, Widersprüche beleuchten und Lücken in der Theorie aufzeigen.
1.4 Methodische Vorgangsweise
Shitstorms in sozialen Netzwerken sind per definitionem emotional und daher aus Unternehmenssicht schwierig zu kontrollieren. Diese Arbeit will die zur Diskussion stehende Thematik allerdings emotionslos und sachlich nüchtern betrachten.
Um einen Überblick über den derzeitigen Stand der Literatur zu gewinnen, ist vorab eine Bestandsaufnahme der aktuellen wissenschaftlichen Arbeiten zur Unternehmenskommunikation im Allgemeinen und Krisenkommunikation im Speziellen notwendig. Diese wurde mittels Literaturrecherche in den Bibliotheken der Fachhochschule des Berufsförderungsinstitutes Wien sowie der Wirtschaftsuniversität Wien durchgeführt. Beginnend mit einer Grobsuche nach den Begriffen der Forschungsfrage Shitstorm und soziale Netzwerke hat der Autor die Suche immer weiter verfeinert bis die Arbeit schließlich um den Bereich Krisenkommunikation erweitert wurde. Am Ende dieses Prozesses wurde das erste Mal erkennbar, dass die Literatur bei Teilaspekten unterschiedlicher Auffassung ist. Andere Recherche-Schlagwörter waren beispielsweise Issue Management, Corporate Communication, Social-Media-Management, Krisenstrategie, Unternehmenskommunikation und Unternehmenskultur.
Außerdem hat der Autor der vorliegenden Arbeit einschlägige Internetblogs führender europäischer Krisenkommunikatorinnen über mehrere Monate beobachtet und analysiert. Um einen Praxisbezug zu unternehmerischer Krisenkommunikation im Shitstorm zu gewinnen, hat sich der Autor eingehend mit den größten Shitstorms europäischer Unternehmen beschäftigt. In der jüngeren Vergangenheit war es dem Autor darüber hinaus außerdem möglich mittels eines Profils des Mikroblogdienstes Twitter diverse Shitstorms zu untersuchen.
Im Rahmen einer vergleichenden Literaturanalyse werden die aus der Literatur gewonnenen Erkenntnisse in dieser Arbeit miteinander verglichen, kritisch hinterfragt und abschließend als zusammenfassende Beantwortung der Forschungsfrage in eine Handlungsempfehlung übergeführt.
1.5 Aufbau der Arbeit
Im zweiten Kapitel gibt die Arbeit einen allgemeinen Überblick der Begriffsdefinitionen der Themenelemente der Forschungsfrage: Krisenkommunikation, soziale Netzwerke und Shitstorm. Insbesondere werden die Begriffe erläutert und abweichende oder ergänzende Definitionen gegenübergestellt. Dies ist vor allem notwendig um den Lesenden eine Grundlage für die weitere Analyse und die Beantwortung der Forschungsfrag, die im Hauptteil der Arbeit erfolgt, mitzugeben.
Das nachfolgende Kapitel beschäftigt sich ausschließlich mit Shitstorm, bietet einen historischen Rückblick auf die Vorläufer des jungen Phänomens und dessen Eigenschaften.
Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit Krisenkommunikation und bildet deren theoretischen Aspekte ab. Es folgt ein Überblick über Krisenformen und Krisenphasen sowie die Unterscheidung der Strategien der Krisenkommunikation. Abschließend wird die Bedeutung der Krisenkommunikation für Unternehmen in sozialen Netzwerken hervorgehoben.
Im nachfolgenden Kapitel fünf werden die aus der Literatur gewonnen Erkenntnisse zusammengeführt und kritisch beleuchtet. Das Kapitel leitet durch die drei Phasen eines Shitstorms Prävention, Intervention und Rehabilitation für die strategische Grundsätze und Handlungsmöglichkeiten angeführt werden. Der Autor will dadurch einen Überblick über vorhandene Reaktionsmöglichkeiten auf einen Shitstorm aus Unternehmenssicht geben. Es werden Strategien aus der Krisenkommunikation dargelegt, wie Unternehmen mit Shitstorms in sozialen Netzwerken optimal umgehen sollten.
Im Schlussteil wird die Forschungsfrage umfassend beantwortet sowie ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungen gegeben.
2 Begriffsdefinitionen
Das folgende Kapitel soll einen kurzen Überblick über der wichtigsten Begriffe dieser Arbeit und deren Definitionen bieten.
2.1 Krisenkommunikation
Der Begriff Krise geht auf das altgriechische Wort κρίσις (krísis) zurück und beschreibt eine Abspaltung, (Ent-)Scheidung, Unterscheidung oder auch Trennung. Außerdem versteht man unter Krise auch eine entscheidende Wendung in einer schwierigen Situation.[7]
Die Literatur bezeichnet die Krisenkommunikation als Kommunikation, die von der Routinekommunikation abweicht. Diese Definition impliziert, dass sich eine Krise im Zeitablauf einstellen kann, die nach Krisenkommunikation verlangt. Es stellt sich nicht die Frage, ob eine Krise für Unternehmen eintritt, sondern wann sie das tun wird und wie das Unternehmen darauf reagiert.[8] Krisenkommunikation kann nicht ohne Routinekommunikation existieren. PLANKERT/ZERRES beziehen sich hier auf SCHERLER, der sagt: „Nur wer den Normalfall beherrscht, kann in der Krisensituation erfolgreich sein“[9].
HÖBEL und HOFMANN definieren den Begriff der Krise enger und beziehen sich direkt auf die Ökonomie sowie das der Krisenkommunikation übergeordnete Krisenmanagement. Sie gehen davon aus, dass eine Krise für das Wirtschaftsleben Ereignisse oder Störungen sind, die nachhaltigen negativen Einfluss auf die Rentabilität oder die Reputation des Unternehmens haben und zur Schadenminderung aktives Krisenmanagement benötigen. Jede Krisenreaktion hat eine operative, wie eine kommunikative Komponente. Krisenkommunikation ist demnach Bestandteil des Krisenmanagements und umgekehrt.[10]
Entscheidend für gute Krisenkommunikation ist nicht nur die erfolgreiche, auf den Markt gerichtete Kommunikation, sondern auch optimale Gestaltung der unternehmensinternen Kommunikationsprozesse und -inhalte.[11]
Die Literatur ordnet Krise allgemein als ein störendes, kostenintensives Ereignis ein. Als Kontrapunkt muss hier allerdings auch die erweiterte Definition von HÖBEL/HOFMANN erwähnt werden, die sich auf die älteste Begriffsbestimmung von Krise beziehen. Sie gehen davon aus, dass die Krise als Wendepunkt verstanden werden muss, der gewissermaßen die Chance und das Erfordernis darstellt auf Krisenereignisse zu reagieren und deren weiteren Richtungsverlauf für das eigene Unternehmen zu beeinflussen.[12]
2.2 Soziale Netzwerke
„Unter einem Netzwerk versteht man im Allgemeinen die Summe aller Beziehungen, über die eine Person online und offline verfügt.“[13] Da sich diese Arbeit im weitesten Sinne mit Strategien von Unternehmen in sozialen Netzwerken – insbesondere dem Umgang mit dem Phänomen Shitstorm – beschäftigt, beschränkt sich der Autor im weiteren auf digitale, soziale Netzwerke und lässt die so genannte Offline-Welt außen vor.
Allgemein wurde der Begriff des sozialen Netzwerkes durch die Soziologie geprägt und definiert es als die Analyse der Qualität zwischenmenschlicher Bindungen.[14] Durch die Möglichkeiten der Digitalisierung und der damit einhergehenden Entstehung sozialer Netzwerke war es noch nie so einfach zwischenmenschliche Beziehungen neu aufzubauen, zu pflegen und zu nützen. Darüber hinaus ermöglichen und vereinfachen soziale Netzwerke den kostengünstigen multimedialen Informationsaustausch zwischen Individuen und/oder Organisationen.[15]
Ein soziales Netzwerk dient also vor allem der Kontaktpflege auf Portalseiten im Internet. Diese Definition kann bereits auf einfache E-Mail Kommunikation zutreffen und gipfelt in so genannten Communities, die ausschließlich sozialen Zusammenkünften und der Kontaktpflege in der digitalen Welt dienen. Diese Communities lassen sich wiederum in Real-Life-Communities und Internet-Communities unterscheiden. Während der Vernetzung in Real-Life-Communities ein bestehender Kontakt aus der Offline-Welt vorausgeht, der sich digital auf einer Portalseite weiterentwickeln lässt, basieren Internet-Communities ausschließlich auf Kontakten, die in der Online-Welt geknüpft worden sind.[16]
An anderer Stelle unterscheidet die Literatur zwischen sozialen Netzwerken mit einer spezifischen Zielgruppe, zum Beispiel für Geschäftsleute das Karrierenetzwerk XING, und sozialen Netzwerken ohne besondere Zielgruppe wie beispielsweise Facebook.[17]
Die Bedeutung sozialer Netzwerke für moderne Unternehmenskommunikation ist unbestritten, wenn man die Nutzerzahlen der einzelnen Portale betrachtet. Rund 74% der Internetuserinnen und Internetuser sind in sozialen Netzwerken aktiv. Beim Branchenprimus Facebook sind 45% aller Internetnutzer registriert. Die Mehrheit ist zwischen 14 und 29 Jahren alt.[18]
Eine Umfrage aus dem Jahr 2012 im Magazin Social Media Trendmonitor hat ergeben, dass für 50% der befragten Public-Relations-Agentinnen und Agenten, Journalistinnen und Journalisten sowie Pressestellen die Arbeit erfolgreicher geworden ist.[19] Es ist für Unternehmen, die moderne Unternehmenskommunikation und damit einhergehende Krisenkommunikation betreiben wollen, also unerlässlich sich mit sozialen Netzwerken auseinander zu setzen.
2.3 Shitstorm
Der Begriff Shitstorm wird definiert als „ein Sturm der Entrüstung, der im Internet, etwa in einem sozialen Medium, […] über eine Einzelperson, eine Institution oder ein Unternehmen hereinbricht“[20]. An anderer Stelle definiert die Literatur den Begriff Shitstorm als den „Umstand, dass sich ein Unternehmen online einem wahren Sturm der Entrüstung, Empörung und des Protests ausgesetzte sieht“[21]. Dieses Internetphänomen zeichnet sich vor allem „durch eine lawinenartige Verbreitung, die innerhalb kurzer Zeit zahlreiche Kommentare nach sich zieht, in denen wiederum erbittert […] über Pro und Contra des Ursprungsthemas diskutiert […] wird“[22] aus. PUTTENAT beispielsweise übernimmt in ihrem Buch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit die Definition des Shitstorms direkt aus einem Onlineartikel: „Alles was die Reputation eines Unternehmens, einer Marke oder einer Person schadet und über das Social Web eine Eigendynamik entwickelt und eine kritische Masse überschreitet, wird schnell als Shitstorm bezeichnet.“[23] Da es sich um ein junges Internetphänomen handelt, hat sich eine allgemein gültige Definition des Begriffs Shitstorm noch nicht vollständig durchgesetzt.[24]
3 Shitstorm
3.1 Ursprung und Historie
Der Shitstorm hat seine Anfänge in den frühen Tagen des Internet und war Forenuserinnen und Forenusern vor allem als Flamewar bekannt. Diese frühe Form des Empörungssturmes bezeichnet vor allem so genannte Trollpostings in mittlerweile fast aus dem Blick verschwundenen Diskussionsforen und Mailboxnetzen, deren meist anonyme Autorinnen und Autoren sich zum Ziel gesetzt haben mittels provokanter Beiträge Aufmerksamkeit zu erzeugen oder die Richtung einer konstruktiven Diskussion nach eigenen Vorstellungen abzuändern.[25]
Der Begriff Shitstorm hat hingegen auch Wurzeln und historische Bezüge in der analogen Welt der Bücher. Bereits 1948 kam der Ausdruck shitstorm in dem britischen Roman von Norman Mailer vor. Der Hamburger Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch geht davon aus, dass der Begriff eine heikle Gefechtssituation in der Umgangssprache der amerikanischen Soldaten bezeichnen soll.[26]
Ein bekanntes Beispiel für einen der ersten Flamewars und damit Vorläufer der Shitstorms war die Beschwerde des US-amerikanischen Bloggers und Journalisten Jeff Jarvis auf seiner privaten Internetseite im Jahr 2005 über den seiner Meinung nach schlechten Kundenservice des PC-Herstellers Dell. Innerhalb kürzester Zeit übernahmen hunderte andere Bloggerinnen und Blogger die Kritik und erzeugten eine „Lawine wütender Erlebnisberichte“[27]. Das betreffende Unternehmen musste feststellen, dass der Börsenkurs fiel und sah sich gezwungen 150 Millionen US-Dollar in dessen Kundenservice zu investieren und es war eines der ersten Unternehmen, die eine eigene Social-Media-Strategie entwickelten.[28]
Der bekannte Internetaktivist und Web-2.0-Vordenker LOBO hat dem Begriff Shitstorm, an dessen Etablierung er im deutschsprachigen Raum maßgeblich beteiligt gewesen war, einen eigenen Artikel gewidmet. Eine Werbekampagne des Telekommunikationsunternehmens Vodafone an der Lobo als Testimonial mitgewirkt hatte, rief den Unmut vieler Meinungsmacherinnen und Meinungsmacher sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Netz hervor. Ein eigener Hashtag wurde auf Twitter viral und Online- wie Offlinemedien sahen sich gezwungen über die Empörungswelle zu berichten.[29] Dies gilt als die Geburtsstunde des modernen Shitstorms im deutschsprachigen Raum.
3.2 Abgrenzung und Charakteristika
Die Flamewars in längst abgeschalteten Internetforen vergangener Zeiten haben mit der modernen Auffassung eines Shitstorms wenig zu tun. Vor allem durch die Entstehung und explosionsartige Verbreitung der sozialen Netzwerke wie Facebook, LinkedIn, Xing etc. entwickelte sich das Internet zu einem multimedialen, multidirektionalen und globalen Kommunikationszirkel, das die Interaktion der TeilnehmerInnen untereinander und gegenüber Unternehmen stark verändert hat. [30]
Ein klassischer Shitstorm lässt sich vor allem durch vier Charakteristika erkennen:
- „Plötzliches Ansteigen der Artikelfrequenz mit
- einer sehr hohen Anzahl von Beiträgen in sehr kurzer Zeit
- eindeutig negativem Inhalt, bis hin zu vulgären Ausdrücken und Beleidigungen.
- Das Unternehmen wird wenig später kreativ verhöhnt, oft durch Modifikation des Logos.“[31]
4 Krisenkommunikation für Unternehmen in sozialen Netzwerken
Im folgenden Kapitel behandelt der Autor den Themenkomplex Krise und Strategien der Krisenkommunikation. Abschließend wird die Bedeutung der Krisenkommunikation für Unternehmen in sozialen Netzwerken erläutert.
4.1 Krisenformen und Krisenphasen
In der Disziplin der Betriebswirtschaftslehre werden drei konsekutive Formen der Krise unterschieden. Die strategische Krise bildet hier die erste Form der Unternehmenskrise. Sie zeichnet sich durch ein fehlerhaftes Geschäftsmodell oder eine veraltete Unternehmensstrategie aus. Wird diese frühe Krisenform nicht bekämpft, kommt es zur Ertragskrise, die durch Einstellung einzelner Geschäftsfelder oder Sparprogramme im Unternehmen abgewendet werden kann.
Erfolgt auch in Ertragskrise kein Einlenken des Unternehmens, folgt die letzte Form der Krise – die Liquiditätskrise die meist in der Insolvenz des Unternehmens endet.[32]
Abschließend muss noch auf die einzelnen Phasen einer Krise eingegangen werden, die insbesondere für die Unternehmenssteuerung von Bedeutung ist.
Bezogen auf Krisenverläufe in sozialen Netzwerken unterscheidet die Literatur drei Krisenphasen: Die Inkubationsphase, die Reputationskrisenphase und die Nach-Krisenphase. Die Vorkrisen- oder Inkubationskrisenphase zeichnet sich durch einen leichten Anstieg des Volumens kritischer Beiträge aus. Der Handlungsspielraum für das Unternehmen ist an größten und es kann mit relativ wenig Aufwand eine Eskalation vermieden werden. Wird diese Gelegenheit nicht wahrgenommen, kommt es zur Hauptphase der Krise, die Reputationskrisenphase. Sie ist durch hohe Medienaufmerksamkeit geprägt. Das Unternehmen kann nur noch reagieren und wird zum Spielball der Medien.
In der abschließenden Nach-Krisenphase flaut das Medieninteresse ab und das Krisenthema wird medial von anderen Themen verdrängt. Für das Unternehmen beginnt die schwierige Phase des Reputationsaufbaus.[33]
Die allgemeine Einteilung der Krisenverläufe wird in der Literatur nach STEINKE wie folgt formuliert.
Die potentielle Krise eröffnet den Verantwortlichen zahlreiche Reaktionsmöglichkeiten. Allerdings ist das Wissen um die Krise und der Willen für die Bekämpfung derselben in der Phase der potentiellen Krise wenig ausgeprägt. Die notwendigen Ressourcen zur Krisenbewältigung werden nicht zur Gänze ausgeschöpft.
In der Phase der latenten Krise schrumpfen die Handlungsmöglichkeiten und die der Zeitdruck wird höher. Einerseits besteht die Gefahr, dass die Krise weitere Unternehmnesteile erfasst und andererseits steigen mit gesteigertem Ressourcenaufwand zur Krisenbewältigung auch die internen Kosten.
Finden die ersten beiden Krisenphasen zu wenig Aufmerksamkeit oder werden zu wenige Ressourcen zur Krisenbewältigung mobilisiert, gipfelt die Krise schlussendlich in der Phase der akuten Krise. Diese zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass die Krise öffentlich wird und somit der Druck auf das Unternehmen rasch anwächst um auf die Krise zu reagieren. Mit der Veröffentlichung der Krise entsteht eine Eigendynamik, deren Auswirkungen aus Unternehmenssicht nur schwer oder gar nicht zu kontrollieren sind.[34]
4.2 Strategien der Krisenkommunikation
Diesem Teilkapitel soll vorangestellt sein, dass Kommunikation auch dann passiert, wenn man sich nicht äußert. Die Nicht-Kommunikation gilt nach Watzlawicks Axiom auch als Kommunikation.[35]
Die Literatur unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Strategien der Krisenkommunikation:
Die offensive Strategie der Krisenkommunikation zeichnet sich durch Transparenz, Proaktivität und Offenheit aus. Die Gesamtheit aller Ursachen und Folgen einer Krise sollen so zeitnah, umfassend und den gesetzlichen Bedingungen entsprechend der Öffentlichkeit dargelegt werden. Dies erfordert unter anderem eine schnelle Identifikation der Krisenfaktoren und die grundsätzliche Einstellung, Verantwortung zu übernehmen. Der Vorteil einer offensiven Strategie der Krisenkommunikation liegt darin, dass das Unternehmen durch offene Kommunikation Gerüchte unterbinden und somit eventuellen weiteren Schaden abwenden kann.[36]
Die defensive Strategie der Krisenkommunikation zeichnet sich durch zögerliche Informationsweitergabe bis zur totalen Informationssperre aus. Diese Strategie kann vielfache Kosten der eigentlichen Krisenkosten verursachen, wenn durch mangelnde Informationsweitergabe die Öffentlichkeit ihr Informationsbedürfnis durch Gerüchte stillt, die später nur schwer widerlegt werden können. Eine solche, defensive Strategie empfiehlt die Literatur nur, wenn die zu Grunde liegende Krise nur wenig oder keinen Nachrichtenwert für Medien hat oder das Unternehmen selbst keine Erklärung für die krisenhaften Ereignisse hat.[37]
Während die defensive Strategie der Krisenkommunikation in der Praxis zunächst Vorrang genießt, wechseln die Unternehmen meist nach kurzer Zeit zu einer offensiven Krisenkommunikationsstrategie.[38]
SCHERLER unterscheidet darüberhinausgehend zwischen fünf Grundstrategien der Krisenkommunikationsstrategie. Die Konzessionsstrategie ist einfach, schnell und kostenoptimal realisierbar, löst jedoch nicht zwingend die Krise und birgt weiteres Krisenpotential. Die Kooperationsstrategie und die Kompromissstrategie suchen den Nutzenausgleich, sind jedoch zeitintensiv und setzen aktive Lösungsbereitschaft bei beiden Seiten voraus. Bei der Kompromissstrategie sind meist externe Expertinnen und Experten eingebunden. Die Grenze zur Strategie der Konfliktvermeidung ist fließend. Sie zeichnet sich durch Passivität und Spekulation aus; Verharmlosung oder Verleugnung der Forderungen der Stakeholder des Unternehmens treten ein. Das andere Extrem bildet die Strategie der Konfrontation – der Konflikt wird offen ausgetragen. Drohungen und Sanktionen gipfeln häufig in jahrelangen juristischen Streitigkeiten. Der Schaden durch Reputationsverlust aller am Verfahren beteiligten Unternehmen ist nach einem langwierigen Prozess meist höher als der Gewinn durch den Prozess.[39]
4.3 Bedeutung der Krisenkommunikation in sozialen Netzwerken
Das Bedürfnis von Unternehmen Botschaften auch in sozialen Netzwerken zu verbreiten, hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Gleichzeitig ist der Anspruch der Konsumenten an eine moderne, web-basierte Kommunikation mit Unternehmen gestiegen. Studien belegen den Mehrwert von Unternehmenskommunikation in sozialen Netzwerken sowohl für Unternehmen als auch für Konsumentinnen und Konsumenten. Krisenkommunikation kann auf dem Weg der sozialen Netzwerke an bestehende Verbindungen mit den Interessensgruppen anknüpfen und diese zum eigenen Vorteil nutzen.[40]
Professionelle Kommunikation in sozialen Netzwerken birgt für die betreibenden Unternehmen zu gleichen Teilen Chancen und Risiken. Liegt der Kommunikation im Internet eine moderne Strategie zur Chancenmaximierung und Risikominimierung zu Grunde, kann das Unternehmen einen Vorteil aus diesem digitalen Kanal ziehen. Andernfalls kann es passieren, dass sich das Engagement eines Unternehmens in sozialen Netzwerken ohne Kommunikationsstrategie gegen dasselbe richtet und mehr Schaden als Nutzen gezogen wird. Exemplarisch für eine gut genutzte Chance der Krisenkommunikation in sozialen Netzwerken sei hier die Kampagne zur ersten Präsidentschaftskandidatur des amtierenden US-Präsidenten Barack Obama erwähnt. Obamas Kommunikationsstrategen erkannten den positiven Mehrwert von Social-Media-Campaigning. Es gelang den Wahlkampfstrateginnen und Wahlkampfstrategen den Wert der Marke Obama aus einem krisenhaften Tief derart zu steigern, wie es noch keiner Kampagne zuvor gelungen war.[41]
Die größten Vorteile von Krisenkommunikation für Unternehmen in sozialen Netzwerken sind Geschwindigkeit, Unmittelbarkeit und Transparenz. Gegenüber klassischer Krisenkommunikation auf dem Weg einer Presseaussendung, einer Pressekonferenz oder einem offenen Brief bietet die internetbasierte Krisenkommunikation außerdem die Möglichkeit mit den verschiedenen Interessengruppen simultan zu interagieren. Botschaften können auf diesem Weg besser kommuniziert werden. Reaktionen darauf können unmittelbar aufgenommen und in die weitere Krisenstrategie aufgenommen werden.[42]
Um die Bedeutung der Unternehmenskommunikation in sozialen Netzwerken zu begreifen, muss abschließend auf die Charakteristika des Internets eingegangen werden, ohne deren Verständnis die Tragweite der Onlinekommunikation nicht erfasst werden kann: Das Internet ist ein dynamischer, organischer, viraler und anonymer digitaler Raum. Es vergisst nichts, lässt Minderheitenmeinungen zu und beschleunigt als auch intensiviert den öffentlichen Diskurs.[43]
5 Strategien im Umgang mit einem Shitstorm in sozialen Netzwerken aus Unternehmenssicht
Wie in den vorangegangenen Kapiteln dargelegt, ist Krisenkommunikation in sozialen Netzwerken für Unternehmen von essentieller Bedeutung. Im Folgenden werden Strategien erläutert, wie Unternehmen Shitstorms vermeiden können, im Ernstfall darauf reagieren sollen und die gewonnen Erfahrungen in ihre Strategie für soziale Netzwerke einbinden können.
5.1 Shitstorm-Prävention
Die umfassendsten Handlungsempfehlungen zur Prävention eines Shitstorms in sozialen Netzwerken gibt STEINKE in seiner Publikation Bedienungsanleitung für den Shitstorm. Der Autor bietet fünf Anhaltspunkte um Empörungswellen in sozialen Netzwerken aus Unternehmenssicht zu vermeiden.[44] Diese Handlungsempfehlungen sind nach Studium weiterer Literatur zu diesem Thema nicht vollständig und werden daher im Folgenden um weitere Empfehlungen aus der Literatur ergänzt und zusammengeführt.
5.1.1 Social-Media-Guideline
In der modernen, vernetzten Ökonomie ist es für Unternehmen von großer Bedeutung auf ein einheitliches, transparentes und authentisches Auftreten nach außen zu achten. Konsumentinnen und Konsumenten erwarten von Produzentinnen und Produzenten qualitativ hochwertiger Produkte oder Dienstleistungen ebenfalls eine qualitativ hoch stehende Corporate-Identity.[45]
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die wichtigsten Botschafterinnen und Botschafter des Unternehmens in der Offline- wie auch in der Onlinewelt. Um die Verbreitung für das Unternehmen nachteiliger Botschaften zu vermeiden, empfiehlt die Literatur eine umfassende Schulung über und kritische Auseinandersetzung mit sozialen Netzwerken für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des betreffenden Unternehmens.[46]
Unternehmen, die positiv gegenüber interner Kritik eingestellt sind und diese Diskussionskultur als Teil ihrer Unternehmenskultur pflegen sind weniger anfällig für Shitstorms, als Unternehmen, die interne Kritik nur als Pflichtübung sehen. Probleme oder potentielle Angriffspunkte für Externe werden dadurch bereits intern identifiziert und möglichst gelöst bzw. abgemildert. Ein Shitstorm wird unwahrscheinlicher.[47]
Das Unternehmen soll so genannte Social-Media-Guidelines festlegen und an die MitarbeiterInnen kommunizieren. Im Rahmen eines Workshops sollen diese Social-Media-Guidelines erläutert und offene Fragen geklärt werden. Außerdem empfiehlt es sich den Ernstfall unter Zuhilfenahme eines Krisentrainings zu proben und so die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf das Risikopotenzial in sozialen Netzwerken sensibilisieren.[48] Diese Anleitungen für das Verhalten in sozialen Netzwerken sind vor allem für den Social-Media-Manager oder die Social-Media-Managerin des Unternehmens wie auch für Führungskräfte, die in ihrer Freizeit in sozialen Netzwerken aktiv sind, von großer Bedeutung um eine einheitliches Auftreten des Unternehmens nach außen sowie die Interaktion mit Stakeholdern des Unternehmens zu gewährleisten.
Eine solide Ausarbeitung einer unternehmensinternen Anleitung für den Umgang mit sozialen Netzwerken ist daher von zentraler Bedeutung für die Präventionsarbeit gegen einen Shitstorm. LORENZ STEINKE empfiehlt hierzu unternehmensfremde Experten wie erfahrene Journalisten oder Blogger das Unternehmen nach potentiellen Angriffszielen zu untersuchen. Außerdem sollen Texte wie Entschuldigungsformeln, Erklärungen zu Produktionsprozessen oder möglichen Rückrufen vorbereitet werden.[49] Diese fachliche Vorerhebung an Gefahrenpotentialen soll in die Social-Media-Guidelines einfließen.
Die Kommunikationswissenschafterin CALLEEN gibt zur Erstellung für Social-Media-Guidelines ein Grundgerüst für Führungskräfte vor, welches zur Erweiterung im unternehmensinternen Social-Media-Workshop herangezogen werden kann. Nachfolgend wird dieses beispielhafte Konzept verkürzt dargelegt:[50]
- Verhalten Sie sich loyal zum Unternehmen – dienstlich oder privat.
- Kennzeichnen Sie private Meinungen als solche.
- Seien Sie professionell, authentisch und glaubwürdig.
- Veröffentlichen Sie nichts Vertrauliches.
- Verhalten Sie sich bei Kritik wertschätzend und freundlich.
- Begegnen Sie Kritik sachlich und lösungsorientiert.
- Beachten Sie die Rechtslage zu Urheber- und Persönlichkeitsrechten.
- Belegen Sie Fakten mit Quellen und verbreiten Sie kein Hörensagen.
- Beachten Sie die unternehmensinternen Vorschriften zur Nutzung von sozialen Netzwerken in der Arbeitszeit.
5.1.2 Corporate-Web-Log
Die Stakeholder eines Unternehmens wollen laufend mit Informationen versorgt werden. Unternehmen, die eine aktive Informationspolitik betreiben, werden im Falle eines Shitstorms von ihren Friends auf Facebook oder Follower auf Twitter eher unterstützt, als Unternehmen, die nur eine reaktive Informationspolitik betreiben. Dies ist ein zentraler Punkt der nachhaltigen Unternehmenskommunikation und die grundlegendste Maßnahme um präventiv auf Shitstorms reagieren zu können. Eine solide Basis an Unterstützerinnen und Unterstützern im Internet generieren Unternehmen am besten durch ehrliche und regelmäßige Kommunikation. Diese loyale Basis kann im Krisenfall eines Shitstorms herangezogen werden um krisenrelevante Botschaften an die Öffentlichkeit zu senden.[51]
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bilden keineswegs eine homogene Gruppe, sondern lassen sich nach BRUHN in sechs Nutzersegmente kategorisieren, wobei der Kanal der Unternehmenskommunikation bei der Einteilung irrelevant ist und nur die Art der Interaktion betrachtet wird:[52]
- Die Schöpferin oder der Schöpfer (Creator) veröffentlicht eigene Artikel und Blogs oder lädt eigene Multimediainhalte auf entsprechenden Plattformen hoch.
- Die Kritikerin oder der Kritiker (Critics) bewertet Produkte und Dienstleistungen, kommentiert Inhalte und beteiligt sich an Foren und Wikis.
- Die Sammlerin oder der Sammler (Collector) akkumuliert und katalogisiert Inhalte.
- Die Teilnehmerin oder der Teilnehmer (Joiner) interagieren in sozialen Netzwerken.
- Die Zuschauerin oder der Zuschauer (Spectator) konsumiert Inhalte unabhängig vom Kommunikationskanal.
- Die Inaktiven (Inactives) sind nicht in sozialen Netzwerken vertreten.
Die Einrichtung eines zentralen Corporate-Web-Logs (Unternehmensblog), von dem in die sozialen Netzwerke verlinkt werden kann, ist ein hilfreiches Werkzeug um Unternehmensbotschaften verbreiten zu können. Laut einer Studie der University of Massachusetts nutzen diese Form der Unternehmenskommunikation derzeit nur 34% der Fortune-500-Konzerne in den USA.[53] Dieser niedrige Anteil an Unternehmen, die einen Unternehmensblog betreiben zeigt, dass die Vorteile dieses Kommunikationskanals noch nicht zur Gänze erkannt worden sind oder falsch eingeschätzt werden.
Die Vorteile eines Unternehmensblogs sind:[54]
- Einfaches Einholen ungefilterter Informationen von Stakeholdern
- Direkter Dialog mit Stakeholdern
- Vereinfachung der Image- und Markenarbeit
- Begleitung von Produkt- und Meinungskampagnen
- Unterstützung von Marketingaktivitäten
- Veränderung der Kundenbeziehung
- Positionierung von unternehmensrelevanten Themenfeldern
- Krisenprävention und Krisensteuerung
5.1.3 Social-Media-Monitoring
Wie in Kapitel 3.2 Krisenformen und Krisenphasen beschrieben, bleibt im Krisenfall eines Shitstorms nur wenig Zeit für das betreffende Unternehmen zu reagieren. Wenn eine unvermeidbare Krisensituation eintritt und in Ermangelung an geeigneten Gegenstrategien die verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht wissen, was zu tun ist, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen nicht mehr rechtzeitig und adäquat auf die Empörungswelle reagieren kann und diese in weiterer Folge anwächst und an Dynamik gewinnt. Das Unternehmen verspielt in diesem Fall wertvolle Zeit. Der durch den Shitstorm hervorgerufene Reputationsverlust vergrößert sich um die Dimension einer mangelhaften Krisenkommunikation. Schlussendlich muss sich das Unternehmen nicht nur für den Auslöser der Empörung an sich, sondern auch für die schlechte Kommunikationsarbeit rechtfertigen.[55]
Die Kommunikation in sozialen Netzwerken schläft nicht und passiert rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr. Ein Shitstorm kann mitten in der Nacht, an Wochenenden oder Feiertagen entstehen. Wenn das betreffende Unternehmen den Shitstorm zu spät erkennt, wirken vorbereitete Maßnahmen nicht oder verstärken den Sturm der Entrüstung nur. Außerdem wirkt das Unternehmen nach außen unvorbereitet und unprofessionell. Unternehmen sollen automatisierte Frühwarnsysteme einrichten, die sie rechtzeitig über herannahende Shitstorms informiert. Das Internet bietet eine breit gefächerte Auswahl an Werkzeugen, die das Internet und insbesondere soziale Netzwerke nach von Unternehmen definierten Signalwörtern durchsucht und gegebenenfalls Alarm schlägt. Auszugsweise seien an dieser Stelle folgende Dienste erwähnt: Google Alerts, socialmention.com, social-searcher.com, backtweets.com und icerocket.com. Allerdings gilt es zu beachten, dass kein der oben genannten Werkzeuge das gesamte Internet abdeckt. Alternativ können unerfahrene Unternehmerinnen und Unternehmer auch die Dienstleistungen externen Social-Media-Agenturen in Anspruch nehmen.[56]
Die frühe Identifikation eine Shitstorms ist für dessen Bekämpfung fundamental. Aufgrund der Komplexität und des Umfanges sozialer Netzwerke, ist es für Unternehmen sehr schwierig aufkommende Shitstorms rechtzeitig zu identifizieren und Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Die Nachteile dieses Umstandes können mit Hilfe so genannter Social-Media-Monitoring Seiten im Internet abgemildert werden. Diese Dienste helfen grundlegende Fragen betreffend der Krisenkommunikation frühzeitig zu beantworten.
Welches Thema ist Grundlage der Empörung? Wo findet der Shitstorm statt? Wer sind die Meinungsbildnerinnen und Meinungsbildner? Wer sind die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren? Welche quantitative und qualitative Dimension hat der Shitstorm? Welche Informationen benötigt das Unternehmen um gegenzusteuern? Wie ist der weitere Verlauf der Empörungswelle zu bewerten?[57]
5.2 Shitstorm-Intervention
Wenn die Prävention eines Shitstorms in den sozialen Netzwerken nicht erfolgreich war oder das Social-Media-Monitoring alarmiert, ist das betreffende Unternehmen je nach Art, Ausmaß und Inhalt der Empörungswelle gezwungen mit Gegenmaßnahmen einzuschreiten um weiteren Schaden vom Unternehmen abzuwenden. [58] In diesem Zeitraum, in dem die latente zur akuten Krisenphase wird, muss das Führungspersonal des Unternehmens eine geeignete Auswahl an Reaktionen treffen, die zeitlich und inhaltlich aufeinander abgestimmt, sowohl in der internen als auch in der externen Krisenkommunikation des Unternehmens ihre Wirkung entfalten.
5.2.1 Grundsätze möglicher Reaktionen
Unternehmen, die sich in einem Shitstorm befinden, sollen auf Ihre Kritikerinnen und Kritiker offen, ehrlich und sachlich im selben Kanal antworten. Die federführenden Betreiber eines Shitstorms kennen das betreffende Unternehmen meist sehr gut und entlarven Ausflüchte und Notlügen meist schnell, was dem Shitstorm nur mehr verstärkt. Unternehmen sollen mit Kritik – egal ob aus Unternehmenssicht berechtig oder unberechtigt – respektvoll umgehen. [59]
Bei der Auswahl der Reaktionen muss das Unternehmen entscheiden, ob es eine offensive oder defensive Strategie in der Krisenkommunikation für geeigneter erachtet. Außerdem gilt es die Krisenstrategie festzulegen. In Abwägung der Vor- und Nachteile kann das Unternehmen zwischen Konzession, Kooperation, Kompromiss, Konfliktvermeidung und Konfrontation gewählt werden (siehe Kapitel 3.2).[60]
Wie umfassend eine Reaktion sein soll, beantwortet die Analyse des Social-Media-Monitors. Die Datenauswertung lässt darauf schließen, wer die verantwortlichen Hauptakteure des Shitstorms sind und welches Ausmaß eine Reaktion haben soll um den gewünschten Effekt zu erzielen. Wenn es sich um Userinnen und User handelt, die wenig Reichweite in dem betroffenen sozialen Netzwerk hat, kann eine Reaktion ganz ausbleiben und es ist ausreichend den weiteren Verlauf zu beobachten. Wird der Shitstorm hingegen von Meinungsbildnern und Meinungsbildnerinnen mit hoher Reichweite betrieben, ist eine rasche Reaktion unumgänglich um weiteren Reputationsschaden zu vermeiden. Der Sprung des Shitstorms in die Zeitungen der Offline-Welt ist hoch wahrscheinlich.[61]
PLANKERT/ZERRES sprechen in diesem Zusammenhang von „anspruchsspezifischer Kommunikation, beispielsweise Informationen der Anteilseigner und der Finanzmärkte“[62].
Der folgende Aspekt einer möglichen Reaktion kann auch als Speed Kills Shitstorm subsumiert werden. Je schneller, professioneller, umfangreicher, transparenter und klarer ein Unternehmen auf einen Shitstorm antwortet, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Shitstorm bereits im Keim erstickt wird. Die Triebfeder sozialer Netzwerke ist Geschwindigkeit und dies gilt vor allem für die Empörungsmaschinerie eines Shitstorms.
Exemplarisch sei hier der Shitstorm gegen die Restaurantkette Taco-Bell in den USA von 2013 angeführt. In den sozialen Netzwerken tauchte ein ekelerregendes Foto eines jungen Mitarbeiters auf, der mit seiner Zunge über einen Stoß Tacos fuhr. Die Empörungswelle gegenüber dem Unternehmen war massiv und zwang die Verantwortlichen zu einer raschen Reaktion. Innerhalb von 24 Stunden recherchierte das Social-Media-Team des Konzerns die Hintergründe des Vorfalls und machte auf der Unternehmensseite eine Stellungnahme publik und beantwortete die Anfragen in den sozialen Netzwerken individuell anstatt nur Textbausteine zu versenden. Die Kundinnen und Kunden des Unternehmens akzeptierten die plausible Erklärung, dass der Mitarbeiter sich einen Scherz mit Tacos erlaubte, die nie für den Verkauf vorgesehen waren. Es handelte sich um Lebensmittel, die nur zu Trainingszwecken für eine Personalschulung Verwendung fanden und anschließend entsorgt wurden.[63]
Zu einer schnellen Reaktionsfähigkeit in der ersten Phase eines Shitstorms ist es für Unternehmen auch maßgeblich die Zielrichtung der Gegenmaßnahmen zu identifizieren und zu analysieren. Einige wenige Leitfragen können diese Analysearbeit beschleunigen: [64]
- Um welches soziale Netzwerk handelt es sich?
- Wie relevant ist das soziale Netzwerk?
- Wie stark vernetzt sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Shitstorms?
- Ist ein Überspringen des Shitstorms auf die Offline-Welt wahrscheinlich?
5.2.2 Reaktionen in der Praxis
Die Literatur verweist in gut gelungenen Best-Practice-Beispielen, wie Unternehmen erfolgreich gegen einen Shitstorm auftreten können.[65] Die grundlegendsten Reaktionen werden im Folgenden dargelegt.
Wenn die Kritik an einem Unternehmen berechtigt ist, zeigt eine Entschuldigung das Eingestehen eines Fehlverhaltens. Viele Unternehmen senden emotionsgeladene Werbung oder Verknüpfen ihre Produkte oder Dienstleistungen mit einem bestimmten Lebensgefühl oder einer bestimmten Lebensart. KonsumentInnen erwarten im Umkehrschluss, dass sich das Unternehmen bei berechtigter Kritik um Entschuldigung bittet. Dabei ist zu beachten, dass die Entschuldigung nicht an Bedingungen geknüpft ist oder nach einer Rechtfertigung klingt. Entsprechende Relativierungen oder Erklärungen kann das Unternehmen nach Abflauen des Shitstorms immer noch nachreichen.[66]
Um der Krisenintervention und den gesendeten Unternehmensbotschaften Nachdruck zu verleihen, empfiehlt es sich, dass auch gut vernetzte Führungspersonen in den sozialen Netzwerken für das Unternehmen eintreten und ihn ihrem Namen Reaktionen verbreiten. Mit dieser persönlichen Initiative bekommt das Unternehmen ein Gesicht in der Öffentlichkeit der sozialen Netzwerke und den Userinnen und Usern wird das Gefühl vermittelt, dass sich ein Mensch um ihr Anliegen kümmert.[67]
Sind für ein Unternehmen die Hintergründe eines Shitstorms nicht klar oder nicht eindeutig zu identifizieren, empfiehlt die Literatur externe Hilfe oder Beratung heran zu ziehen. Diese Unklarheiten können unter anderem auf kulturellen, gesellschaftlichen oder religiösen Unterschieden basieren. Fehlt die diesbezügliche Expertise im Unternehmen, müssen externe Professionalsten befragt werden, wie dem Shitstorm unter Bedachtnahme der Auffassungsunterschiede begegnet werden kann.[68]
5.2.3 Gebote und Verbote für Reaktionen
Unternehmen im Shitstorm sollten sich nicht an Spekulationen beteiligen oder diese in Gang setzen. Außerdem sollten darauf verzichtet werden unverständliche Botschaften zu senden. Wissenschaftlich abstrakte Sprache sowie technisches Fachvokabular ist zu vermeiden. Die gesendeten Botschaften dürfen nicht unglaubwürdig sein.[69]
Als negatives Beispiel ist hier der Fall des Lecks einer Bohrplattform des Konzerns BP im Golf von Mexiko angeführt. Das Unternehmen hatte alle Maßnahmen der Krisenprävention ergriffen und war auf Kommunikationskrisen gut vorbereitet. Trotzdem verstrickte sich BP in Widersprüche. Zunächst wurde bestritten, dass es überhaupt ein Leck gab. Dann wurde zugegeben, dass Öl austritt und der Eindruck vermittelt, der Konzern hätte die Lage unter Kontrolle. Gegenteilige Medienberichte, die mangelhafte Koordination der Krisenmaßnahmen sowie eine unklare Krisenstrategie brachten schlussendlich den totalen Kurswechsel in der Krisenkommunikation. Der bis zu diesem Zeitpunkt defensiv agierende Konzern schlug eine offensive Kooperationsstrategie ein und räumte ein, dass man noch einen langen Weg vor sich hätte, man aber noch nicht wisse wohin der Weg führe.[70]
Nichts empört die Netzgemeinde mehr, als ein Unternehmen, das auf einen Shitstorm mit Klagsdrohungen reagiert. Die Kritikerinnen und Kritiker in den sozialen Netzwerken fassen dies als Maulkorb oder Sprechverbot auf. Diese Vorgehensweise ist kontraproduktiv, da die Wahrscheinlichkeit steigt, dass noch mehr Userinnen und User auf den Shitstorm aufspringen, sich mit den Federführenden solidarisieren und die negativen Botschaften verstärken. Mehrere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit verdeutlichen anschaulich, dass die Drohung mit Unterlassungsklagen oder Verleumdungsklagen dem Unternehmen nicht hilft den Shitstorm abzuwenden. Exemplarisch seinen hier erwähnt: Nestlé versus Greenpeace, Jack Wolfskin versus Nebenerwerbsschneiderin, Theo Zwanziger versus Jens Weinreich.[71]
Unbedingt vermieden werden sollten Beschimpfungen, Beleidigungen sowie das Flüchten in die Opferrolle. Dies hat häufig zur Folge, dass sich der Shitstorm nicht mehr kontrollieren lässt. Ein Reputationsverlust ist für das betroffene Unternehmen wahrscheinlich.[72]
Wie bereits oben erwähnt, ist offene, ehrliche und transparente Kommunikation der zentrale Schlüssel für ein Unternehmen um einem Shitstorm professionell zu begegnen. Die Zensur unliebsamer Beiträge in sozialen Netzwerken muss daher zwingend unterbleiben. Empörte Userinnen und User werden nur aufgebrachter, wenn ihre Beiträge gelöscht werden und werden ihr Anliegen mit Hinweis auf Zensur noch einmal auf der Unternehmensseite zur Sprache bringen. Zumal assoziieren Userinnen und User Zensur mit dem Versuch eine Meinung zu unterdrücken oder nicht gelten zu lassen. Dies wiederspricht den Regeln fairer Kommunikation im Internet. Unternehmen im Sog eines Shitstorms sollten allerdings sehr wohl Beiträge löschen, die gegen geltendes Recht verstoßen oder andere Userinnen und User beleidigen. Diese Art der Zensur schätzt die Internetgemeinde als positiven Eingriff in die Diskussionskultur.
Wenn der Shitstorm einen bestimmten Level an Dynamik und Größe erreicht hat, werden Userinnen und User außerdem den Empörungssturm auf einschlägigen Internetchroniken oder auf der Seite des Unternehmens in der Online-Enzyklopädie Wikipedia vermerken. Betroffene Unternehmen sollen auch hier Zensur oder das Umschreiben eines Artikels unterlassen. Beispielsweise wird jede Änderung auf Wikipedia geloggt und kann von der Internetgemeinde nachvollzogen werden. Eine derartige Zensur führt zwangsweise zum nächsten, größeren Shitstorm.[73]
Aus Unternehmenssicht ist ein Shitstorm immer eine heikle Situation, die mit Kosten und Reputationsverlust verbunden ist. Unternehmen haben andererseits auch die Provokation von Empörungswellen gegen andere Unternehmen zu unterlassen. Die Internetgemeinde reagiert sehr sensibel auf Streitigkeiten zwischen Unternehmen und kann dies zum Anlass nehmen das provozierende Unternehmen selbst genauer zu betrachten und nach möglichen Angriffspunkten für einen Shitstorms zu suchen.[74]
Besonders aktive Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die den Shitstorm auffällig intensiv vorantreiben aber nur wenig Reichweite haben, bezeichnet die Literatur als Trolle. Sie sind provokant und buhlen um Aufmerksamkeit in den sozialen Netzwerken.[75] Eine andere Definition des Begriffs ist ähnlich: Ein „Troll ist eine Person […], die stark provoziert und andere beleidigt, ohne einen tatsächlichen Beitrag zur Debatte zu leisten. Es geht dem Troll darum, Reaktionen herauszufordern.“[76] Die Literatur ist sich ebenfalls einig, dass man Trollen keinen Anlass geben soll um den Shitstorm weiter anzuheizen. In der Netzkultur hat sich das Motto „Do not feed the Troll!“[77] (Füttere nicht den Troll!) entwickelt. Häufig posten Moderatorinnen oder Moderatoren in sozialen Netzwerken das Akronym DNFTT um damit alle Diskussionsteilnehmerinnen und Diskussionsteilnehmer zu bitten einen oder mehrere Trolle zu ignorieren.[78]
5.3 Shitstorm-Rehabilitation
Im nun folgenden Abschlusskapitel will der Autor auf die Rehabilitation des Unternehmens nach einen Shitstorm eingehen. Ein Grundmerkmal eines Shitstorms ist, dass das Phänomen nach einem Zeitraum abflaut und schlussendlich verschwindet. Nach der Interventionsphase beginnt der Abschnitt der Unternehmensreflexion, begleitet von dem Reputationsaufbau und dem Kompetenzausbaus.[79]
5.3.1 Unternehmensreflexion
Wenn eine Empörungswelle das betreffende Unternehmen langfristig beschäftigt, liegen die Gründe meist in der Unternehmenskultur, am Produktionsprozess oder an Eigenschaften eines bestimmten Produktes oder einer Dienstleistung. Das Unternehmen muss eine nachhaltige Strategie finden um diesen Umständen zu begegnen. Diese Strategie ist je nach Branche des Unternehmens, der Art des Produktes oder der Dienstleistung unterschiedlich. Wichtig ist jedoch, dass die Änderung innerhalb des Unternehmens nach außen offen, transparent und authentisch kommuniziert wird. Es empfiehlt sich zu diesem Zweck vorrangig die den Shitstorm vorantreibenden Akteure, Fachjournalisten oder Blogger über den unternehmensinternen Kurswechsel zu informieren. Wenn das betreffende Unternehmen eine gute Beziehung zu Meinungsbildnern hat, wird die positive Botschaft von denselben multipliziert werden und die Öffentlichkeit erfährt von vertrauenswürdigen Akteuren, dass das Unternehmen die Kritik nicht nur angenommen sondern auch Strategien zur Änderung des empörenden Umstandes umgesetzt hat.[80]
Wenn es zu einem unternehmensinternen Kurswechsel kommt, muss das Führungspersonal diesen jedenfalls genau ausarbeiten und der Belegschaft angemessen kommunizieren. Ein Acht-Stufen-Plan für Führungskräfte vereinfacht die unternehmensinterne Kommunikation eines Wechsels in der Unternehmenskultur.
- Die Dringlichkeit der Thematik kommunizieren
- Geeignetes Führungspersonal für der Kurswechsel bestimmen
- Vision einer Unternehmenskultur kreieren
- Neue Unternehmenskultur erarbeiten
- Andere ermutigen mit zu entwickeln
- Schnelle Erfolge generieren
- Den Wechsel der Unternehmenskultur nicht abbrechen – weiterarbeiten
- Die neue Unternehmenskultur fest im Unternehmen verankern[81]
5.3.2 Reputationsaufbau
Der Reputationsaufbau ist mit einem eventuell angestrebten Wandel in der Unternehmenskultur eng verwoben und soll gleichzeitig erfolgen. Für das Unternehmen ist es von großer Bedeutung die im Shitstorm eingebüßte Reputation bei seinen Stakeholdern auf Vorkrisenniveau wiederherzustellen. Die kann ein langer und mühsamer Prozess bedeuten, der mit hohen Kosten verbunden ist. Das Führungspersonal muss sich in dieser Phase den Interessen der Stakeholder beugen und möglichst glaubwürdig den Eindruck erwecken die Krise sei vorbei und das Unternehmen habe daraus gelernt. Beruhigungsfloskeln klingen einerseits hohl, andererseits wollen Menschen glauben, dass die Sicherheit und Ordnung wiederhergestellt ist.[82]
Die Literatur empfiehlt außer Beschwichtigungen gegenüber den Stakeholdern noch einige kostengünstige und rasch durchführbare Methoden um den Reputationsaufbau zumindest zu beschleunigen:
Vorrangig sollten Unternehmen in der Reputationsaufbauphase mit unterhaltsamen, nützlichen oder selbstironischen Inhalten in soziale Netzwerken auftreten. Vor allem Selbstironie eines großen Konzerns oder scheinbar machtvollen Unternehmensgruppe kann Wohlwollen bei den Interessensgruppen hervorrufen.
Alternativ kann man auch bestehende Inhalte aus dem Internet ausgreifen uns sie für sich nützen. Besonders beliebt ist so genannter User-Generated-Content. Das sind Inhalte, die von Userinnen und Usern erstellt worden sind und damit beispielsweise an einer vom Unternehmen veranstalteten Verlosung teilnehmen. Positiver Zusatzeffekt ist neben dem Reputationsaufbau auch die gewonnene Kundenbindung durch die Interaktion mit dem Unternehmen.
Search-Engine-Optimization bedeutet den eigenen Unternehmensauftritt in sozialen Netzwerken und ihrer Homepage unter dem Aspekt ausgewählter Schlüsselbegriffe zu optimieren. Unternehmen sollten beliebt Suchbegriffe in ihren den jeweiligen Kanälen einbauen um von Suchmaschinen schneller und besser gelistet zu werden.[83]
5.3.3 Kompetenzausbau
Hat ein Unternehmen einen Shitstorm abgewendet oder ist dieser abgeflaut, empfiehlt es sich aus der Erfahrung der Empörungswelle zu lernen. Es ergeben sich hieraus vielfältige Möglichkeiten die Kommunikationskompetenzen des Unternehmens auszubauen und nachhaltig in die Unternehmenskultur zu integrieren. Lernt ein Unternehmen aus den Erfahrungen eines Shitstorms, kann es diese Erkenntnisgewinne für das Abwenden der nächsten digitalen Kommunikationskrise nützen. Exemplarisch sei hier wieder der internationale Nahrungsmittelkonzern Nestlé erwähnt, der nach seinen ersten Erfahrungen mit Shitstorms eine der größten Social-Media-Units der Welt aufgebaut hat. Das schweizerische Unternehmen investiert nun mittlerweile 12% seines jährlichen Marketing Budgets in eine eigene Social-Media Abteilung und arbeitet mit den größten Internetkonzernen eng zusammen.[84] Nestlé Marketingchef und Mitglied der Konzernleitung Patrice Bula kommentiert den Wandel in der Kommunikationskultur wie folgt:
„Social Media hat bei uns eine völlig neue strategische Bedeutung erhalten. Wir haben Leute mit Social-Media-Erfahrung angestellt. Konzernchef Paul Bulcke, ich und andere gingen eine ganze Woche ins Silicon Valley und trafen alle wichtigen Akteure: Facebook, Google, Twitter, Instagram. Dann erarbeiteten wir eine Strategie.“[85]
6 Conclusio und Ausblick auf Anschlussforschung
Im Zuge dieses Bachelorarbeit wurde der derzeitige Stand der Literatur zu Strategien für Unternehmen im Umgang mit einem Shitstorm in sozialen Netzwerken kritisch analysiert und Widersprüche und ergänzende Angaben aufgezeigt.
Im Hinblick auf die Forschungsfrage, wie Unternehmen ihre Krisenkommunikation ausrichten sollen, um auf einen Shitstorm in sozialen Netzwerken zu reagieren, kann mit Hinweis auf die dargelegten theoretischen Konzepte, folgendes festgestellt werden:
Unternehmen benötigen ein Bündel an vorbereiteten Kommunikationsmaßnahmen, die je nach Phase eines Shitstorms zum Einsatz kommen können. Besonderes Augenmerk sollen Unternehmen auf ehrliche Unternehmenskommunikation, offene Unternehmenskultur, die Erstellung von Social Media Guidelines und einen professionellen Unternehmensauftritt im Internet legen um die Wahrscheinlichkeit von Shitstorms zu minimieren. Außerdem wird Unternehmen die Einrichtung eines Social-Media-Monitors angeraten um das Aufkommen so rasch wie möglich identifizieren zu können.
Während eines Shitstorms ist es besonders wichtig schnell, angemessen und zielgerichtet auf den Shitstorm zu reagieren. Die Auswahl der Krisenstrategie ist für den weiteren Verlauf von großer Bedeutung. Die persönliche Entschuldigung einer Führungsperson hilft die aufgebrachte Stimmung zu beruhigen. Bricht Kommunikationschaos aus, wird Unternehmen empfohlen externe Hilfe von Beratungsunternehmen in Anspruch zu nehmen. Destruktive Mittel wie Provokation, Spekulation, Zensur, Beschimpfungen oder Klagsdrohungen sind zu unterlassen.
Nach einem Shitstorm gilt es aus den Erfahrungen zu lernen, diese in die Unternehmenskultur einzubinden und die Krisenkommunikationsstrategie bei Fehlern dementsprechend umzugestalten. Die wichtigste Unternehmensaufgabe in dieser letzten Phase ist nun der Rückgewinn der verlorenen Reputation. Hier können wiederum soziale Netzwerke einen wertvollen Beitrag leisten.
Die vorliegende Arbeit hat außerdem gezeigt, dass ein großer Bedarf für Anschlussforschung in Teilbereichen des beleuchteten Themas besteht. Die bestehende Literatur erweist sich vor allem in Hinblick auf die Prävention von Shitstorms als ergiebig. Die Reputationsaufbauphase wird ebenfalls weitreichend durch die bestehenden Werkzeuge aus der Öffentlichkeitsarbeit behandelt. Jedoch ist der Stand der wissenschaftlichen Literatur bezogen auf die Interventionsphase und tatsächliche Handlungsempfehlungen wie sich ein Unternehmen in einem Shitstorm verhalten soll, gering. Die Komplexität der Praxis machen Shitstorms schwer berechenbar und können einen großen Kostenfaktor für betroffene Unternehmen darstellen. Außerdem ist anzunehmen, dass die Häufigkeit und die Dynamik von Shitstorms wegen der stark ansteigenden Userzahlen sozialer Netzwerke weiter zunehmen werden. Hier empfiehlt der Autor anzuschließen und weitere Forschung in dieser Richtung zu betreiben.
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[1] Bundesverband Digitale Wirtschaft e.V. (2014) S. 6.
[2] Vgl. University of Massachusetts Dartmouth (2013) online.
[3] Vgl. Bruhn (2014) S. 91 ff.
[4] Vgl. Pekka (2010) S. 43 f.
[5] Vgl. Steinke (2014) S. 179 ff.
[6] Vgl. Puttenat (2012) S. 116.
[7] Vgl. Steinke (2014) S. 44.
[8] Vgl. Plankert/Zerres (2009) S. 11.
[9] Scherler (1996) S. 112.
[10] Vgl. Höbel/Hofmann (2014) S.12.
[11] Vgl. Plankert/Zerres (2009) S. 55.
[12] Vgl. Plankert/Zerres (2009) S. 56.
[13] Kielholz (2008) S. 64.
[14] Vgl. Huber (2013) S. 64.
[15] Vgl. Bruhn (2014) S. 1050.
[16] Vgl. Huber (2013) S. 65 f.
[17] Vgl. Bruhn (2014) S. 1051 f.
[18] Vgl. Huber (2013) S. 65.
[19] Vgl. Puttenat (2012) S. 99.
[20] Steinke (2014) S. 190.
[21] Schindler/Liller (2014) S.182.
[22] Steinke (2014) S. 190.
[23] t3n.de (2012) online.
[24] Vgl. Steinke (2014) S. 3.
[25] Vgl. Steinke (2014) S. 3.
[26] Vgl. SciLogs (2012) online.
[27] Steinke (2014) S. 4.
[28] Vgl. Steinke (2014) S. 4.
[29] Vgl. spiegel.de (2013) online.
[30] Vgl. Steinke (2014) S. 5.
[31] Schindler/Liller (2014) S. 183.
[32] Vgl. Steinke (2014) S. 44.
[33] Vgl. Schindler/Liller (2014) S. 173.
[34] Vgl. Steinke (2014) S. 44.
[35] Vgl. Watzlawick u. a. (2007) S. 53 ff.
[36] Vgl. Plankert/Zerres (2009) S. 12.
[37] Vgl. Plankert/Zerres (2009) S. 12.
[38] Vgl. Plankert/Zerres (2009) S. 12 f.
[39] Vgl. Scherler (1996) S. 205 ff.
[40] Vgl. Bruhn (2014) S. 1058 ff.
[41] Vgl. Höbel/Hofmann (2014) S. 51.
[42] Vgl. Huber (2013) S. 132 ff.
[43] Vgl. Höbel/Hofmann (2014) S. 52.
[44] Vgl. Steinke (2014) S. 19.
[45] Vgl. Steinke (2014) S. 20.
[46] Vgl. Höbel/Hofmann (2014) S. 65.
[47] Vgl. Steinke (2014) S. 21.
[48] Vgl. Höbel/Hofmann (2014) S. 65.
[49] Vgl. Steinke (2014) S. 21.
[50] Vgl. Calleen (2012) S. 182.
[51] Vgl. Steinke (2014) S. 20 f.
[52] Vgl. Bruhn (2014) S. 1083.
[53] Vgl. Steinke (2014) S. 20.
[54] Vgl. Huber (2013) S. 40.
[55] Vgl. Plankert/Zerres (2009) S. 30.
[56] Vgl. Steinke (2014) S. 21 f.
[57] Vgl. Höbel/Hofmann (2014) S. 65 f.
[58] Vgl. Plankert/Zerres (2009) S. 58.
[59] Vgl. Steinke (2014) S. 22 f.
[60] Vgl. Plankert/Zerres (2009) S. 172.
[61] Vgl. Höbel/Hofmann (2014) S. 70 ff.
[62] Plankert/Zerres (2009) S. 172.
[63] Vgl. Steinke (2014) S. 22.
[64] Vgl. Höbel/Hofmann (2014) S. 70.
[65] Vgl. Plankert/Zerres (2009) S. 127 ff.
[66] Vgl. Steinke (2014) S. 23.
[67] Höbel/Hofmann (2014) S. 71 ff.
[68] Vgl. Steinke (2014) S. 23.
[69] Vgl. Plankert/Zerres (2009) S. 173.
[70] Vgl. Höbel/Hofmann (2014) S. 72.
[71] Vgl. Steinke (2014) S. 24.
[72] Vgl. Marketing Magazin (2015) online.
[73] Vgl. Steinke (2014) S. 24.
[74] Vgl. Steinke (2014) S. 25.
[75] Vgl. Schindler / Liller (2014) S. 199.
[76] Huber (2013) S. 220.
[77] Westdeutsche Zeitung (2011) online.
[78] Calleen (2012) S. 183 f.
[79] Vgl. Höbel / Hofmann (2014) S. 73.
[80] Vgl. Steinke (2014) S. 25.
[81] Vgl. Cornelissen (2014) S. 225.
[82] Vgl. Plankert / Zerres (2009) S. 119 f.
[83] Vgl. Höbel / Hofmann (2014) S. 73 ff.
[84] Vgl. Steinke (2014) S. 25.
[85] Tagesanzeiger (2013) online.
Download: BA2015_Strategien im Umgang mit einem Shitstorm in sozialen Netzwerken aus Unternehmenssicht