Strategien im Umgang mit einem Shitstorm in sozialen Netzwerken aus Unternehmenssicht

Hervorgehoben

Forschungsfrage: Wie sollen Unternehmen ihre Krisenkommunikation ausrichten, um auf einen Shitstorm in sozialen Netzwerken zu reagieren?

Inhaltsverzeichnis

 1        Einleitung.. 4

1.1         Themenstellung und Relevanz der Themenstellung. 4

1.2         Formulierung der Forschungsfrage. 5

1.3         Stand der Literatur 5

1.4         Methodische Vorgangsweise. 5

1.5         Aufbau der Arbeit 6

2        Begriffsdefinitionen.. 8

2.1         Krisenkommunikation.. 8

2.2         Soziale Netzwerke. 9

2.3         Shitstorm.. 10

3        Shitstorm… 12

3.1         Ursprung und Historie. 12

3.2         Abgrenzung und Charakteristika. 13

4        Krisenkommunikation für Unternehmen in sozialen Netzwerken.. 14

4.1         Krisenformen und Krisenphasen.. 14

4.2         Strategien der Krisenkommunikation.. 15

4.3         Bedeutung der Krisenkommunikation in sozialen Netzwerken.. 17

5        Strategien im Umgang mit einem Shitstorm in sozialen Netzwerken aus Unternehmenssicht 19

5.1         Shitstorm-Prävention.. 19

5.1.1          Social-Media-Guideline. 19

5.1.2          Corporate-Web-Log. 21

5.1.3          Social-Media-Monitoring. 22

5.2         Shitstorm-Intervention.. 24

5.2.1          Grundsätze möglicher Reaktionen.. 24

5.2.2          Reaktionen in der Praxis. 26

5.2.3          Gebote und Verbote für Reaktionen.. 27

5.3         Shitstorm-Rehabilitation.. 29

5.3.1          Unternehmensreflexion.. 29

5.3.2          Reputationsaufbau.. 30

5.3.3          Kompetenzausbau.. 31

6        Conclusio und Ausblick auf Anschlussforschung.. 33

7        Literaturverzeichnis. 35

 

Abstract

The aim of this thesis is to investigate and identify the present status of academic literature about strategies of corporate communication in social networks, particularly crisis communication in shitstorms. The thesis compares given literature critically and unites various strategies of crisis communication.

This thesis first examines the terms crisis communication, social networks and shitstorm and then bridges over to the historical backgrounds and the characteristics of a shitstorm to provide basic knowledge for further reading.

In a second step, the thesis deals with crisis communication and strategies of crisis communication and their implications on social network management.

A detailed central section, provides communication strategies how to cope with a shitstorm in social networks specially. The dimensions prevention, intervention and rehabilitation comprise guidance, recommendation and suggestions regarding a shitstorm.

In conclusion, the thesis argues that further research has to be done in order to close the gaps of knowledge regarding the dynamic of a shitstorm. Moreover, the author recommends to do more studies on the mass effect of shitstorms in social networks.

This thesis hopes to offer useful practical tips including rules, a basic round-up of the current status of academic literature and a small contribution to research on the internet phenomenon shitstorm.

1            Einleitung

1.1       Themenstellung und Relevanz der Themenstellung

Mit den rasant wachsenden Nutzerzahlen von sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter, YouTube, Instagram und Blogs haben sich in den letzten Jahren mächtige und moderne Kommunikationskanäle entwickelt, vor denen sich Unternehmen nicht verschließen können. Auf die folgende Frage haben im Jahr 2014 immerhin 38% aller befragten Unternehmen mit positiv geantwortet.

„Führt Ihr Unternehmen für eigene Unternehmensziele Social-Media-Aktivitäten (z.B. Bearbeitung von Blogs, Einrichtung von Kundenforen, Profile in sozialen Netzwerken, Tw366itter, Video-Plattformen, etc.) durch?“[1]

Mindestens 70% der global umsatzstärksten Unternehmen pflegen einen Twitter oder Facebook Account. Knapp 70% unterhalten einen eigenen YouTube Kanal.[2]

Steigende Nutzerzahlen quer durch alle Bevölkerungsgruppen gepaart mit der zunehmenden Aktivität von Unternehmen in sozialen Netzwerken werfen neue und bis dato unbeantwortete Fragen auf. Soziale Netzwerke sind – wie alles Neue – Chance und Risiko zugleich. Ein gelungener Auftritt im World Wide Web kann für KMUs bis zum Weltkonzern zu mehr Erfolg führen. Andererseits muss eine soziale Webpräsenz wohl durchdacht und strategisch sowie taktisch geplant sein um auf unerwartete Meldungen des virtuellen Gegenübers kompetent und professionell reagieren zu können. Vor allem die für Unternehmen potentiell negativen Auswirkungen eines Shitstorms innerhalb oder außerhalb ihres Auftrittes in sozialen Netzwerken will diese Arbeit behandeln. Andererseits will diese Arbeit auch Möglichkeiten beleuchten, wie Unternehmen einen Shitstorm zu ihrem Vorteil nutzen können und möglicherweise sogar einen Erfolg in der Öffentlichkeitsarbeit verzeichnen.

Beginnend bei der Identifikation über die Analyse bis zu Empfehlungen für Maßnahmen bei einem aufkommenden oder bereits anhaltenden Shitstorms müssen Unternehmen mit Präsenz in sozialen Netzwerken Strategien in peto haben, um geeignet, rechtzeitig und professionell auf eine Empörungswelle reagieren zu können.

1.2       Formulierung der Forschungsfrage

In dieser Arbeit soll folgende Forschungsfrage beantwortet werden:

Wie sollen Unternehmen ihre Krisenkommunikation ausrichten, um auf einen Shitstorm in sozialen Netzwerken zu reagieren?

1.3       Stand der Literatur

Strategische Konzepte zur externen Krisenkommunikation von Unternehmen werden in der Literatur ausführlich behandelt. Es liegen vielfältige wissenschaftliche Quellen und Studien vor. Standards setzt in diesem Bereich der schweizer Universitätsprofessor BRUHN.[3]

Die Öffentlichkeitsarbeit und Unternehmenskommunikation haben ihren festen Bestandteil in der Betriebswirtschaftslehre. Wissenschaftliche Publikationen zu diesen Themen finden sich auch regelmäßig in Fachzeitschriften für Marketing und Journals.[4]

Betreffend das Phänomen Shitstorm in sozialen Netzwerken und dessen kostenintensive Begleitprozesse dünnt sich die wissenschaftliche Erkenntnislage rasch aus. Erwähnt werden muss hier hingegen der Kommunikationsberater STEINKE, der mehr als jede andere Autorin oder jeder andere Autor der digitalen Welt in seiner Arbeit Platz einräumt.[5]

Die aktuelle Literatur gibt zwar Handlungsempfehlungen und Tipps, wie man aus Unternehmenssicht einem Shitstorm begegnen soll, allerdings legt jede Arbeit den Fokus auf eine andere Phase eines Shitstorms oder die Autorinnen und Autoren geben widersprüchliche Handlungsempfehlungen.[6]

Diese Arbeit will den gegebenen Stand der Literatur kritisch miteinander vergleichen, Widersprüche beleuchten und Lücken in der Theorie aufzeigen.

1.4       Methodische Vorgangsweise

Shitstorms in sozialen Netzwerken sind per definitionem emotional und daher aus Unternehmenssicht schwierig zu kontrollieren. Diese Arbeit will die zur Diskussion stehende Thematik allerdings emotionslos und sachlich nüchtern betrachten.

Um einen Überblick über den derzeitigen Stand der Literatur zu gewinnen, ist vorab eine Bestandsaufnahme der aktuellen wissenschaftlichen Arbeiten zur Unternehmenskommunikation im Allgemeinen und Krisenkommunikation im Speziellen notwendig. Diese wurde mittels Literaturrecherche in den Bibliotheken der Fachhochschule des Berufsförderungsinstitutes Wien sowie der Wirtschaftsuniversität Wien durchgeführt. Beginnend mit einer Grobsuche nach den Begriffen der Forschungsfrage Shitstorm und soziale Netzwerke hat der Autor die Suche immer weiter verfeinert bis die Arbeit schließlich um den Bereich Krisenkommunikation erweitert wurde. Am Ende dieses Prozesses wurde das erste Mal erkennbar, dass die Literatur bei Teilaspekten unterschiedlicher Auffassung ist. Andere Recherche-Schlagwörter waren beispielsweise Issue Management, Corporate Communication, Social-Media-Management, Krisenstrategie, Unternehmenskommunikation und Unternehmenskultur.

Außerdem hat der Autor der vorliegenden Arbeit einschlägige Internetblogs führender europäischer Krisenkommunikatorinnen über mehrere Monate beobachtet und analysiert. Um einen Praxisbezug zu unternehmerischer Krisenkommunikation im Shitstorm zu gewinnen, hat sich der Autor eingehend mit den größten Shitstorms europäischer Unternehmen beschäftigt. In der jüngeren Vergangenheit war es dem Autor darüber hinaus außerdem möglich mittels eines Profils des Mikroblogdienstes Twitter diverse Shitstorms zu untersuchen.

Im Rahmen einer vergleichenden Literaturanalyse werden die aus der Literatur gewonnenen Erkenntnisse in dieser Arbeit miteinander verglichen, kritisch hinterfragt und abschließend als zusammenfassende Beantwortung der Forschungsfrage in eine Handlungsempfehlung übergeführt.

1.5       Aufbau der Arbeit

Im zweiten Kapitel gibt die Arbeit einen allgemeinen Überblick der Begriffsdefinitionen der Themenelemente der Forschungsfrage:  Krisenkommunikation, soziale Netzwerke und Shitstorm. Insbesondere werden die Begriffe erläutert und abweichende oder ergänzende Definitionen gegenübergestellt. Dies ist vor allem notwendig um den Lesenden eine Grundlage für die weitere Analyse und die Beantwortung der Forschungsfrag, die im Hauptteil der Arbeit erfolgt, mitzugeben.

Das nachfolgende Kapitel beschäftigt sich ausschließlich mit Shitstorm, bietet einen historischen Rückblick auf die Vorläufer des jungen Phänomens und dessen Eigenschaften.

Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit Krisenkommunikation und bildet deren theoretischen Aspekte ab. Es folgt ein Überblick über Krisenformen und Krisenphasen sowie die Unterscheidung der Strategien der Krisenkommunikation. Abschließend wird die Bedeutung der Krisenkommunikation für Unternehmen in sozialen Netzwerken hervorgehoben.

Im nachfolgenden Kapitel fünf werden die aus der Literatur gewonnen Erkenntnisse zusammengeführt und kritisch beleuchtet. Das Kapitel leitet durch die drei Phasen eines Shitstorms Prävention, Intervention und Rehabilitation für die strategische Grundsätze und Handlungsmöglichkeiten angeführt werden. Der Autor will dadurch einen Überblick über vorhandene Reaktionsmöglichkeiten auf einen Shitstorm aus Unternehmenssicht geben. Es werden Strategien aus der Krisenkommunikation dargelegt, wie Unternehmen mit Shitstorms in sozialen Netzwerken optimal umgehen sollten.

Im Schlussteil wird die Forschungsfrage umfassend beantwortet sowie ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungen gegeben.

2            Begriffsdefinitionen

Das folgende Kapitel soll einen kurzen Überblick über der wichtigsten Begriffe dieser Arbeit und deren Definitionen bieten.

2.1       Krisenkommunikation

Der Begriff Krise geht auf das altgriechische Wort κρίσις (krísis) zurück und beschreibt eine Abspaltung, (Ent-)Scheidung, Unterscheidung oder auch Trennung. Außerdem versteht man unter Krise auch eine entscheidende Wendung in einer schwierigen Situation.[7]

Die Literatur bezeichnet die Krisenkommunikation als Kommunikation, die von der Routinekommunikation abweicht. Diese Definition impliziert, dass sich eine Krise im Zeitablauf einstellen kann, die nach Krisenkommunikation verlangt. Es stellt sich nicht die Frage, ob eine Krise für Unternehmen eintritt, sondern wann sie das tun wird und wie das Unternehmen darauf reagiert.[8] Krisenkommunikation kann nicht ohne Routinekommunikation existieren. PLANKERT/ZERRES beziehen sich hier auf SCHERLER, der sagt: „Nur wer den Normalfall beherrscht, kann in der Krisensituation erfolgreich sein“[9].

HÖBEL und HOFMANN definieren den Begriff der Krise enger und beziehen sich direkt auf die Ökonomie sowie das der Krisenkommunikation übergeordnete Krisenmanagement. Sie gehen davon aus, dass eine Krise für das Wirtschaftsleben Ereignisse oder Störungen sind, die nachhaltigen negativen Einfluss auf die Rentabilität oder die Reputation des Unternehmens haben und zur Schadenminderung aktives Krisenmanagement benötigen. Jede Krisenreaktion hat eine operative, wie eine kommunikative Komponente. Krisenkommunikation ist demnach Bestandteil des Krisenmanagements und umgekehrt.[10]

Entscheidend für gute Krisenkommunikation ist nicht nur die erfolgreiche, auf den Markt gerichtete Kommunikation, sondern auch optimale Gestaltung der unternehmensinternen Kommunikationsprozesse und -inhalte.[11]

Die Literatur ordnet Krise allgemein als ein störendes, kostenintensives Ereignis ein. Als Kontrapunkt muss hier allerdings auch die erweiterte Definition von HÖBEL/HOFMANN erwähnt werden, die sich auf die älteste Begriffsbestimmung von Krise beziehen. Sie gehen davon aus, dass die Krise als Wendepunkt verstanden werden muss, der gewissermaßen die Chance und das Erfordernis darstellt auf Krisenereignisse zu reagieren und deren weiteren Richtungsverlauf für das eigene Unternehmen zu beeinflussen.[12]

2.2       Soziale Netzwerke

„Unter einem Netzwerk versteht man im Allgemeinen die Summe aller Beziehungen, über die eine Person online und offline verfügt.“[13] Da sich diese Arbeit im weitesten Sinne mit Strategien von Unternehmen in sozialen Netzwerken – insbesondere dem Umgang mit dem Phänomen Shitstorm – beschäftigt, beschränkt sich der Autor im weiteren auf digitale, soziale Netzwerke und lässt die so genannte Offline-Welt außen vor.

Allgemein wurde der Begriff des sozialen Netzwerkes durch die Soziologie geprägt und definiert es als die Analyse der Qualität zwischenmenschlicher Bindungen.[14] Durch die Möglichkeiten der Digitalisierung und der damit einhergehenden Entstehung sozialer Netzwerke war es noch nie so einfach zwischenmenschliche Beziehungen neu aufzubauen, zu pflegen und zu nützen. Darüber hinaus ermöglichen und vereinfachen soziale Netzwerke den kostengünstigen multimedialen Informationsaustausch zwischen Individuen und/oder Organisationen.[15]

Ein soziales Netzwerk dient also vor allem der Kontaktpflege auf Portalseiten im Internet. Diese Definition kann bereits auf einfache E-Mail Kommunikation zutreffen und gipfelt in so genannten Communities, die ausschließlich sozialen Zusammenkünften und der Kontaktpflege in der digitalen Welt dienen. Diese Communities lassen sich wiederum in Real-Life-Communities und Internet-Communities unterscheiden. Während der Vernetzung in Real-Life-Communities ein bestehender Kontakt aus der Offline-Welt vorausgeht, der sich digital auf einer Portalseite weiterentwickeln lässt, basieren Internet-Communities ausschließlich auf Kontakten, die in der Online-Welt geknüpft worden sind.[16]

An anderer Stelle unterscheidet die Literatur zwischen sozialen Netzwerken mit einer spezifischen Zielgruppe, zum Beispiel für Geschäftsleute das Karrierenetzwerk XING, und sozialen Netzwerken ohne besondere Zielgruppe wie beispielsweise Facebook.[17]

Die Bedeutung sozialer Netzwerke für moderne Unternehmenskommunikation ist unbestritten, wenn man die Nutzerzahlen der einzelnen Portale betrachtet. Rund 74% der Internetuserinnen und Internetuser sind in sozialen Netzwerken aktiv. Beim Branchenprimus Facebook sind 45% aller Internetnutzer registriert. Die Mehrheit ist zwischen 14 und 29 Jahren alt.[18]

Eine Umfrage aus dem Jahr 2012 im Magazin Social Media Trendmonitor hat ergeben, dass für 50% der befragten Public-Relations-Agentinnen und Agenten, Journalistinnen und Journalisten sowie Pressestellen die Arbeit erfolgreicher geworden ist.[19] Es ist für Unternehmen, die moderne Unternehmenskommunikation und damit einhergehende Krisenkommunikation betreiben wollen, also unerlässlich sich mit sozialen Netzwerken auseinander zu setzen.

2.3       Shitstorm

Der Begriff Shitstorm wird definiert als „ein Sturm der Entrüstung, der im Internet, etwa in einem sozialen Medium, […] über eine Einzelperson, eine Institution oder ein Unternehmen hereinbricht“[20]. An anderer Stelle definiert die Literatur den Begriff Shitstorm als den „Umstand, dass sich ein Unternehmen online einem wahren Sturm der Entrüstung, Empörung und des Protests ausgesetzte sieht“[21]. Dieses Internetphänomen zeichnet sich vor allem „durch eine lawinenartige Verbreitung, die innerhalb kurzer Zeit zahlreiche Kommentare nach sich zieht, in denen wiederum erbittert […] über Pro und Contra des Ursprungsthemas diskutiert […] wird“[22] aus. PUTTENAT beispielsweise übernimmt in ihrem Buch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit die Definition des Shitstorms direkt aus einem Onlineartikel: „Alles was die Reputation eines Unternehmens, einer Marke oder einer Person schadet und über das Social Web eine Eigendynamik entwickelt und eine kritische Masse überschreitet, wird schnell als Shitstorm bezeichnet.“[23] Da es sich um ein junges Internetphänomen handelt, hat sich eine allgemein gültige Definition des Begriffs Shitstorm noch nicht vollständig durchgesetzt.[24]

3            Shitstorm

3.1       Ursprung und Historie

Der Shitstorm hat seine Anfänge in den frühen Tagen des Internet und war Forenuserinnen und Forenusern vor allem als Flamewar bekannt. Diese frühe Form des Empörungssturmes bezeichnet vor allem so genannte Trollpostings in mittlerweile fast aus dem Blick verschwundenen Diskussionsforen und Mailboxnetzen, deren meist anonyme Autorinnen und Autoren sich zum Ziel gesetzt haben mittels provokanter Beiträge Aufmerksamkeit zu erzeugen oder die Richtung einer konstruktiven Diskussion nach eigenen Vorstellungen abzuändern.[25]

Der Begriff Shitstorm hat hingegen auch Wurzeln und historische Bezüge in der analogen Welt der Bücher. Bereits 1948 kam der Ausdruck shitstorm in dem britischen Roman von Norman Mailer vor. Der Hamburger Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch geht davon aus, dass der Begriff eine heikle Gefechtssituation in der Umgangssprache der amerikanischen Soldaten bezeichnen soll.[26]

Ein bekanntes Beispiel für einen der ersten Flamewars und damit Vorläufer der Shitstorms war die Beschwerde des US-amerikanischen Bloggers und Journalisten Jeff Jarvis auf seiner privaten Internetseite im Jahr 2005 über den seiner Meinung nach schlechten Kundenservice des PC-Herstellers Dell. Innerhalb kürzester Zeit übernahmen hunderte andere Bloggerinnen und Blogger die Kritik und erzeugten eine „Lawine wütender Erlebnisberichte“[27]. Das betreffende Unternehmen musste feststellen, dass der Börsenkurs fiel und sah sich gezwungen 150 Millionen US-Dollar in dessen Kundenservice zu investieren und es war eines der ersten Unternehmen, die eine eigene Social-Media-Strategie entwickelten.[28]

Der bekannte Internetaktivist und Web-2.0-Vordenker LOBO hat dem Begriff Shitstorm, an dessen Etablierung er im deutschsprachigen Raum maßgeblich beteiligt gewesen war, einen eigenen Artikel gewidmet. Eine Werbekampagne des Telekommunikationsunternehmens Vodafone an der Lobo als Testimonial mitgewirkt hatte, rief den Unmut vieler Meinungsmacherinnen und Meinungsmacher sowie Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im Netz hervor. Ein eigener Hashtag wurde auf Twitter viral und Online- wie Offlinemedien sahen sich gezwungen über die Empörungswelle zu berichten.[29] Dies gilt als die Geburtsstunde des modernen Shitstorms im deutschsprachigen Raum.

3.2       Abgrenzung und Charakteristika

Die Flamewars in längst abgeschalteten Internetforen vergangener Zeiten haben mit der modernen Auffassung eines Shitstorms wenig zu tun. Vor allem durch die Entstehung und explosionsartige Verbreitung der sozialen Netzwerke wie Facebook, LinkedIn, Xing etc. entwickelte sich das Internet zu einem multimedialen, multidirektionalen und globalen Kommunikationszirkel, das die Interaktion der TeilnehmerInnen untereinander und gegenüber Unternehmen stark verändert hat. [30]

Ein klassischer Shitstorm lässt sich vor allem durch vier Charakteristika erkennen:

  1. „Plötzliches Ansteigen der Artikelfrequenz mit
  2. einer sehr hohen Anzahl von Beiträgen in sehr kurzer Zeit
  3. eindeutig negativem Inhalt, bis hin zu vulgären Ausdrücken und Beleidigungen.
  4. Das Unternehmen wird wenig später kreativ verhöhnt, oft durch Modifikation des Logos.“[31]

 

 

4            Krisenkommunikation für Unternehmen in sozialen Netzwerken

Im folgenden Kapitel behandelt der Autor den Themenkomplex Krise und Strategien der Krisenkommunikation. Abschließend wird die Bedeutung der Krisenkommunikation für Unternehmen in sozialen Netzwerken erläutert.

4.1       Krisenformen und Krisenphasen

In der Disziplin der Betriebswirtschaftslehre werden drei konsekutive Formen der Krise unterschieden. Die strategische Krise bildet hier die erste Form der Unternehmenskrise. Sie zeichnet sich durch ein fehlerhaftes Geschäftsmodell oder eine veraltete Unternehmensstrategie aus. Wird diese frühe Krisenform nicht bekämpft, kommt es zur Ertragskrise, die durch Einstellung einzelner Geschäftsfelder oder Sparprogramme im Unternehmen abgewendet werden kann.

Erfolgt auch in Ertragskrise kein Einlenken des Unternehmens, folgt die letzte Form der Krise – die Liquiditätskrise die meist in der Insolvenz des Unternehmens endet.[32]

Abschließend muss noch auf die einzelnen Phasen einer Krise eingegangen werden, die insbesondere für die Unternehmenssteuerung von Bedeutung ist.

Bezogen auf Krisenverläufe in sozialen Netzwerken unterscheidet die Literatur drei Krisenphasen: Die Inkubationsphase, die Reputationskrisenphase und die Nach-Krisenphase. Die Vorkrisen- oder Inkubationskrisenphase zeichnet sich durch einen leichten Anstieg des Volumens kritischer Beiträge aus. Der Handlungsspielraum für das Unternehmen ist an größten und es kann mit relativ wenig Aufwand eine Eskalation vermieden werden. Wird diese Gelegenheit nicht wahrgenommen, kommt es zur Hauptphase der Krise, die Reputationskrisenphase. Sie ist durch hohe Medienaufmerksamkeit geprägt. Das Unternehmen kann nur noch reagieren und wird zum Spielball der Medien.

In der abschließenden Nach-Krisenphase flaut das Medieninteresse ab und das Krisenthema wird medial von anderen Themen verdrängt. Für das Unternehmen beginnt die schwierige Phase des Reputationsaufbaus.[33]

Die allgemeine Einteilung der Krisenverläufe wird in der Literatur nach STEINKE wie folgt formuliert.

Die potentielle Krise eröffnet den Verantwortlichen zahlreiche Reaktionsmöglichkeiten. Allerdings ist das Wissen  um die Krise und der Willen für die Bekämpfung derselben in der Phase der potentiellen Krise wenig ausgeprägt. Die notwendigen Ressourcen zur Krisenbewältigung werden nicht zur Gänze ausgeschöpft.

In der Phase der latenten Krise schrumpfen die Handlungsmöglichkeiten und die der Zeitdruck wird höher. Einerseits besteht die Gefahr, dass die Krise weitere Unternehmnesteile erfasst und andererseits steigen mit gesteigertem Ressourcenaufwand zur Krisenbewältigung auch die internen Kosten.

Finden die ersten beiden Krisenphasen zu wenig Aufmerksamkeit oder werden zu wenige Ressourcen zur Krisenbewältigung mobilisiert, gipfelt die Krise schlussendlich in der Phase der akuten Krise. Diese zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass die Krise öffentlich wird und somit der Druck auf das Unternehmen rasch anwächst um auf die Krise zu reagieren. Mit der Veröffentlichung der Krise entsteht eine Eigendynamik, deren Auswirkungen aus Unternehmenssicht nur schwer oder gar nicht zu kontrollieren sind.[34]

4.2       Strategien der Krisenkommunikation

Diesem Teilkapitel soll vorangestellt sein, dass Kommunikation auch dann passiert, wenn man sich nicht äußert. Die Nicht-Kommunikation gilt nach Watzlawicks Axiom auch als Kommunikation.[35]

Die Literatur unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Strategien der Krisenkommunikation:

Die offensive Strategie der Krisenkommunikation zeichnet sich durch Transparenz, Proaktivität und Offenheit aus. Die Gesamtheit aller Ursachen und Folgen einer Krise sollen so zeitnah, umfassend und den gesetzlichen Bedingungen entsprechend der Öffentlichkeit dargelegt werden. Dies erfordert unter anderem eine schnelle Identifikation der Krisenfaktoren und die grundsätzliche Einstellung, Verantwortung zu übernehmen. Der Vorteil einer offensiven Strategie der Krisenkommunikation liegt darin, dass das Unternehmen durch offene Kommunikation Gerüchte unterbinden und somit eventuellen weiteren Schaden abwenden kann.[36]

Die defensive Strategie der Krisenkommunikation zeichnet sich durch zögerliche Informationsweitergabe bis zur totalen Informationssperre aus. Diese Strategie kann vielfache Kosten der eigentlichen Krisenkosten verursachen, wenn durch mangelnde Informationsweitergabe die Öffentlichkeit ihr Informationsbedürfnis durch Gerüchte stillt, die später nur schwer widerlegt werden können. Eine solche, defensive Strategie empfiehlt die Literatur nur, wenn die zu Grunde liegende Krise nur wenig oder keinen Nachrichtenwert für Medien hat oder das Unternehmen selbst keine Erklärung für die krisenhaften Ereignisse hat.[37]

Während die defensive Strategie der Krisenkommunikation in der Praxis zunächst Vorrang genießt, wechseln die Unternehmen meist nach kurzer Zeit zu einer offensiven Krisenkommunikationsstrategie.[38]

SCHERLER unterscheidet darüberhinausgehend zwischen fünf Grundstrategien der Krisenkommunikationsstrategie. Die Konzessionsstrategie ist einfach, schnell und kostenoptimal realisierbar, löst jedoch nicht zwingend die Krise und birgt weiteres Krisenpotential. Die Kooperationsstrategie und die Kompromissstrategie suchen den Nutzenausgleich, sind jedoch zeitintensiv und setzen aktive Lösungsbereitschaft bei beiden Seiten voraus. Bei der Kompromissstrategie sind meist externe Expertinnen und Experten eingebunden. Die Grenze zur Strategie der Konfliktvermeidung ist fließend. Sie zeichnet sich durch Passivität und Spekulation aus; Verharmlosung oder Verleugnung der Forderungen der Stakeholder des Unternehmens treten ein. Das andere Extrem bildet die Strategie der Konfrontation – der Konflikt wird offen ausgetragen. Drohungen und Sanktionen gipfeln häufig in jahrelangen juristischen Streitigkeiten. Der Schaden durch Reputationsverlust aller am Verfahren beteiligten Unternehmen ist nach einem langwierigen Prozess meist höher als der Gewinn durch den Prozess.[39]

4.3       Bedeutung der Krisenkommunikation in sozialen Netzwerken

Das Bedürfnis von Unternehmen Botschaften auch in sozialen Netzwerken zu verbreiten, hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Gleichzeitig ist der Anspruch der Konsumenten an eine moderne, web-basierte Kommunikation mit Unternehmen gestiegen. Studien belegen den Mehrwert von Unternehmenskommunikation in sozialen Netzwerken sowohl für Unternehmen als auch für Konsumentinnen und Konsumenten. Krisenkommunikation kann auf dem Weg der sozialen Netzwerke an bestehende Verbindungen mit den Interessensgruppen anknüpfen und diese zum eigenen Vorteil nutzen.[40]

Professionelle Kommunikation in sozialen Netzwerken birgt für die betreibenden Unternehmen zu gleichen Teilen Chancen und Risiken. Liegt der Kommunikation im Internet eine moderne Strategie zur Chancenmaximierung und Risikominimierung zu Grunde, kann das Unternehmen einen Vorteil aus diesem digitalen Kanal ziehen. Andernfalls kann es passieren, dass sich das Engagement eines Unternehmens in sozialen Netzwerken ohne Kommunikationsstrategie gegen dasselbe richtet und mehr Schaden als Nutzen gezogen wird. Exemplarisch für eine gut genutzte Chance der Krisenkommunikation in sozialen Netzwerken sei hier die Kampagne zur ersten Präsidentschaftskandidatur des amtierenden US-Präsidenten Barack Obama erwähnt. Obamas Kommunikationsstrategen erkannten den positiven Mehrwert von Social-Media-Campaigning. Es gelang den Wahlkampfstrateginnen und Wahlkampfstrategen den Wert der Marke Obama aus einem krisenhaften Tief derart zu steigern, wie es noch keiner Kampagne zuvor gelungen war.[41]

Die größten Vorteile von Krisenkommunikation für Unternehmen in sozialen Netzwerken sind Geschwindigkeit, Unmittelbarkeit und Transparenz. Gegenüber klassischer Krisenkommunikation auf dem Weg einer Presseaussendung, einer Pressekonferenz oder einem offenen Brief bietet die internetbasierte Krisenkommunikation außerdem die Möglichkeit mit den verschiedenen Interessengruppen simultan zu interagieren. Botschaften können auf diesem Weg besser kommuniziert werden. Reaktionen darauf können unmittelbar aufgenommen und in die weitere Krisenstrategie aufgenommen werden.[42]

Um die Bedeutung der Unternehmenskommunikation in sozialen Netzwerken zu begreifen, muss abschließend auf die Charakteristika des Internets eingegangen werden, ohne deren Verständnis die Tragweite der Onlinekommunikation nicht erfasst werden kann: Das Internet ist ein dynamischer, organischer, viraler und anonymer digitaler Raum. Es vergisst nichts, lässt Minderheitenmeinungen zu und beschleunigt als auch intensiviert den öffentlichen Diskurs.[43]

5            Strategien im Umgang mit einem Shitstorm in sozialen Netzwerken aus Unternehmenssicht

Wie in den vorangegangenen Kapiteln dargelegt, ist Krisenkommunikation in sozialen Netzwerken für Unternehmen von essentieller Bedeutung. Im Folgenden werden Strategien erläutert, wie Unternehmen Shitstorms vermeiden können, im Ernstfall darauf reagieren sollen und die gewonnen Erfahrungen in ihre Strategie für soziale Netzwerke einbinden können.

5.1       Shitstorm-Prävention

Die umfassendsten Handlungsempfehlungen zur Prävention eines Shitstorms in sozialen Netzwerken gibt STEINKE in seiner Publikation Bedienungsanleitung für den Shitstorm. Der Autor bietet fünf Anhaltspunkte um Empörungswellen in sozialen Netzwerken aus Unternehmenssicht zu vermeiden.[44] Diese Handlungsempfehlungen sind nach Studium weiterer Literatur zu diesem Thema nicht vollständig und werden daher im Folgenden um weitere Empfehlungen aus der Literatur ergänzt und zusammengeführt.

5.1.1    Social-Media-Guideline

In der modernen, vernetzten Ökonomie ist es für Unternehmen von großer Bedeutung auf ein einheitliches, transparentes und authentisches Auftreten nach außen zu achten. Konsumentinnen und Konsumenten erwarten von Produzentinnen und Produzenten qualitativ hochwertiger Produkte oder Dienstleistungen ebenfalls eine qualitativ hoch stehende Corporate-Identity.[45]

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die wichtigsten Botschafterinnen und Botschafter des Unternehmens in der Offline- wie auch in der Onlinewelt. Um die Verbreitung für das Unternehmen nachteiliger Botschaften zu vermeiden, empfiehlt die Literatur eine umfassende Schulung über und kritische Auseinandersetzung mit sozialen Netzwerken für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des betreffenden Unternehmens.[46]

Unternehmen, die positiv gegenüber interner Kritik eingestellt sind und diese Diskussionskultur als Teil ihrer Unternehmenskultur pflegen sind weniger anfällig für Shitstorms, als Unternehmen, die interne Kritik nur als Pflichtübung sehen. Probleme oder potentielle Angriffspunkte für Externe werden dadurch bereits intern identifiziert und möglichst gelöst bzw. abgemildert. Ein Shitstorm wird unwahrscheinlicher.[47]

Das Unternehmen soll so genannte Social-Media-Guidelines      festlegen und an die MitarbeiterInnen kommunizieren. Im Rahmen eines Workshops sollen diese Social-Media-Guidelines erläutert und offene Fragen geklärt werden. Außerdem empfiehlt es sich den Ernstfall unter Zuhilfenahme eines Krisentrainings zu proben und so die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf das Risikopotenzial in sozialen Netzwerken sensibilisieren.[48] Diese Anleitungen für das Verhalten in sozialen Netzwerken sind vor allem für den Social-Media-Manager oder die Social-Media-Managerin des Unternehmens wie auch für Führungskräfte, die in ihrer Freizeit in sozialen Netzwerken aktiv sind, von großer Bedeutung um eine einheitliches Auftreten des Unternehmens nach außen sowie die Interaktion mit Stakeholdern des Unternehmens zu gewährleisten.

Eine solide Ausarbeitung einer unternehmensinternen Anleitung für den Umgang mit sozialen Netzwerken ist daher von zentraler Bedeutung für die Präventionsarbeit gegen einen Shitstorm. LORENZ STEINKE empfiehlt hierzu unternehmensfremde Experten wie erfahrene Journalisten oder Blogger das Unternehmen nach potentiellen Angriffszielen zu untersuchen. Außerdem sollen Texte wie Entschuldigungsformeln, Erklärungen zu Produktionsprozessen oder möglichen Rückrufen vorbereitet werden.[49] Diese fachliche Vorerhebung an Gefahrenpotentialen soll in die Social-Media-Guidelines einfließen.

Die Kommunikationswissenschafterin CALLEEN gibt zur Erstellung für Social-Media-Guidelines ein Grundgerüst für Führungskräfte vor, welches zur Erweiterung im unternehmensinternen Social-Media-Workshop herangezogen werden kann. Nachfolgend wird dieses beispielhafte Konzept verkürzt dargelegt:[50]

  1. Verhalten Sie sich loyal zum Unternehmen – dienstlich oder privat.
  2. Kennzeichnen Sie private Meinungen als solche.
  3. Seien Sie professionell, authentisch und glaubwürdig.
  4. Veröffentlichen Sie nichts Vertrauliches.
  5. Verhalten Sie sich bei Kritik wertschätzend und freundlich.
  6. Begegnen Sie Kritik sachlich und lösungsorientiert.
  7. Beachten Sie die Rechtslage zu Urheber- und Persönlichkeitsrechten.
  8. Belegen Sie Fakten mit Quellen und verbreiten Sie kein Hörensagen.
  9. Beachten Sie die unternehmensinternen Vorschriften zur Nutzung von sozialen Netzwerken in der Arbeitszeit.

5.1.2    Corporate-Web-Log

Die Stakeholder eines Unternehmens wollen laufend mit Informationen versorgt werden. Unternehmen, die eine aktive Informationspolitik betreiben, werden im Falle eines Shitstorms von ihren Friends auf Facebook oder Follower auf Twitter eher unterstützt, als Unternehmen, die nur eine reaktive Informationspolitik betreiben. Dies ist ein zentraler Punkt der nachhaltigen Unternehmenskommunikation und die grundlegendste Maßnahme um präventiv auf Shitstorms reagieren zu können. Eine solide Basis an Unterstützerinnen und Unterstützern im Internet generieren Unternehmen am besten durch ehrliche und regelmäßige Kommunikation. Diese loyale Basis kann im Krisenfall eines Shitstorms herangezogen werden um krisenrelevante Botschaften an die Öffentlichkeit zu senden.[51]

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bilden keineswegs eine homogene Gruppe, sondern lassen sich nach BRUHN in sechs Nutzersegmente kategorisieren, wobei der Kanal der Unternehmenskommunikation bei der Einteilung irrelevant ist und nur die Art der Interaktion betrachtet wird:[52]

  • Die Schöpferin oder der Schöpfer (Creator) veröffentlicht eigene Artikel und Blogs oder lädt eigene Multimediainhalte auf entsprechenden Plattformen hoch.
  • Die Kritikerin oder der Kritiker (Critics) bewertet Produkte und Dienstleistungen, kommentiert Inhalte und beteiligt sich an Foren und Wikis.
  • Die Sammlerin oder der Sammler (Collector) akkumuliert und katalogisiert Inhalte.
  • Die Teilnehmerin oder der Teilnehmer (Joiner) interagieren in sozialen Netzwerken.
  • Die Zuschauerin oder der Zuschauer (Spectator) konsumiert Inhalte unabhängig vom Kommunikationskanal.
  • Die Inaktiven (Inactives) sind nicht in sozialen Netzwerken vertreten.

 

Die Einrichtung eines zentralen Corporate-Web-Logs (Unternehmensblog), von dem in die sozialen Netzwerke verlinkt werden kann, ist ein hilfreiches Werkzeug um Unternehmensbotschaften verbreiten zu können. Laut einer Studie der University of Massachusetts nutzen diese Form der Unternehmenskommunikation derzeit nur 34% der Fortune-500-Konzerne in den USA.[53] Dieser niedrige Anteil an Unternehmen, die einen Unternehmensblog betreiben zeigt, dass die Vorteile dieses Kommunikationskanals noch nicht zur Gänze erkannt worden sind oder falsch eingeschätzt werden.

Die Vorteile eines Unternehmensblogs sind:[54]

  1. Einfaches Einholen ungefilterter Informationen von Stakeholdern
  2. Direkter Dialog mit Stakeholdern
  3. Vereinfachung der Image- und Markenarbeit
  4. Begleitung von Produkt- und Meinungskampagnen
  5. Unterstützung von Marketingaktivitäten
  6. Veränderung der Kundenbeziehung
  7. Positionierung von unternehmensrelevanten Themenfeldern
  8. Krisenprävention und Krisensteuerung

5.1.3    Social-Media-Monitoring

Wie in Kapitel 3.2 Krisenformen und Krisenphasen beschrieben, bleibt im Krisenfall eines Shitstorms nur wenig Zeit für das betreffende Unternehmen zu reagieren. Wenn eine unvermeidbare Krisensituation eintritt und in Ermangelung an geeigneten Gegenstrategien die verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht wissen, was zu tun ist, besteht die Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen nicht mehr rechtzeitig und adäquat auf die Empörungswelle reagieren kann und diese in weiterer Folge anwächst und an Dynamik gewinnt. Das Unternehmen verspielt in diesem Fall wertvolle Zeit. Der durch den Shitstorm hervorgerufene Reputationsverlust vergrößert sich um die Dimension einer mangelhaften Krisenkommunikation. Schlussendlich muss sich das Unternehmen nicht nur für den Auslöser der Empörung an sich, sondern auch für die schlechte Kommunikationsarbeit rechtfertigen.[55]

Die Kommunikation in sozialen Netzwerken schläft nicht und passiert rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr. Ein Shitstorm kann mitten in der Nacht, an Wochenenden oder Feiertagen entstehen. Wenn das betreffende Unternehmen den Shitstorm zu spät erkennt, wirken vorbereitete Maßnahmen nicht oder verstärken den Sturm der Entrüstung nur. Außerdem wirkt das Unternehmen nach außen unvorbereitet und unprofessionell. Unternehmen sollen automatisierte Frühwarnsysteme einrichten, die sie rechtzeitig über herannahende Shitstorms informiert. Das Internet bietet eine breit gefächerte Auswahl an Werkzeugen, die das Internet und insbesondere soziale Netzwerke nach von Unternehmen definierten Signalwörtern durchsucht und gegebenenfalls Alarm schlägt. Auszugsweise seien an dieser Stelle folgende Dienste erwähnt: Google Alerts, socialmention.com, social-searcher.com, backtweets.com und icerocket.com. Allerdings gilt es zu beachten, dass kein der oben genannten Werkzeuge das gesamte Internet abdeckt. Alternativ können unerfahrene Unternehmerinnen und Unternehmer auch die Dienstleistungen externen Social-Media-Agenturen in Anspruch nehmen.[56]

Die frühe Identifikation eine Shitstorms ist für dessen Bekämpfung fundamental. Aufgrund der Komplexität und des Umfanges sozialer Netzwerke, ist es für Unternehmen sehr schwierig aufkommende Shitstorms rechtzeitig zu identifizieren und Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Die Nachteile dieses Umstandes können mit Hilfe so genannter Social-Media-Monitoring Seiten im Internet abgemildert werden. Diese Dienste helfen grundlegende Fragen betreffend der Krisenkommunikation frühzeitig zu beantworten.

Welches Thema ist Grundlage der Empörung? Wo findet der Shitstorm statt? Wer sind die Meinungsbildnerinnen und Meinungsbildner? Wer sind die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren? Welche quantitative und qualitative Dimension hat der Shitstorm? Welche Informationen benötigt das Unternehmen um gegenzusteuern? Wie ist der weitere Verlauf der Empörungswelle zu bewerten?[57]

 

 

5.2       Shitstorm-Intervention

Wenn die Prävention eines Shitstorms in den sozialen Netzwerken nicht erfolgreich war oder das Social-Media-Monitoring alarmiert, ist das betreffende Unternehmen je nach Art, Ausmaß und Inhalt der Empörungswelle gezwungen mit Gegenmaßnahmen einzuschreiten um weiteren Schaden vom Unternehmen abzuwenden. [58] In diesem Zeitraum, in dem die latente zur akuten Krisenphase wird, muss das Führungspersonal des Unternehmens eine geeignete Auswahl an Reaktionen treffen, die zeitlich und inhaltlich aufeinander abgestimmt, sowohl in der internen als auch in der externen Krisenkommunikation des Unternehmens ihre Wirkung entfalten.

5.2.1    Grundsätze möglicher Reaktionen

Unternehmen, die sich in einem Shitstorm befinden, sollen auf Ihre Kritikerinnen und Kritiker offen, ehrlich und sachlich im selben Kanal antworten. Die federführenden Betreiber eines Shitstorms kennen das betreffende Unternehmen meist sehr gut und entlarven Ausflüchte und Notlügen meist schnell, was dem Shitstorm nur mehr verstärkt. Unternehmen sollen mit Kritik – egal ob aus Unternehmenssicht berechtig oder unberechtigt – respektvoll umgehen. [59]

Bei der Auswahl der Reaktionen muss das Unternehmen entscheiden, ob es eine offensive oder defensive Strategie in der Krisenkommunikation für geeigneter erachtet. Außerdem gilt es die Krisenstrategie festzulegen. In Abwägung der Vor- und Nachteile kann das Unternehmen zwischen Konzession, Kooperation, Kompromiss, Konfliktvermeidung und Konfrontation gewählt werden (siehe Kapitel 3.2).[60]

Wie umfassend eine Reaktion sein soll, beantwortet die Analyse des Social-Media-Monitors. Die Datenauswertung lässt darauf schließen, wer die verantwortlichen Hauptakteure des Shitstorms sind und welches Ausmaß eine Reaktion haben soll um den gewünschten Effekt zu erzielen. Wenn es sich um Userinnen und User handelt, die wenig Reichweite in dem betroffenen sozialen Netzwerk hat, kann eine Reaktion ganz ausbleiben und es ist ausreichend den weiteren Verlauf zu beobachten. Wird der Shitstorm hingegen von Meinungsbildnern und Meinungsbildnerinnen mit hoher Reichweite betrieben, ist eine rasche Reaktion unumgänglich um weiteren Reputationsschaden zu vermeiden. Der Sprung des Shitstorms in die Zeitungen der Offline-Welt ist hoch wahrscheinlich.[61]

PLANKERT/ZERRES sprechen in diesem Zusammenhang von „anspruchsspezifischer Kommunikation, beispielsweise Informationen der Anteilseigner und der Finanzmärkte“[62].

Der folgende Aspekt einer möglichen Reaktion kann auch als Speed Kills Shitstorm subsumiert werden. Je schneller, professioneller, umfangreicher, transparenter und klarer ein Unternehmen auf einen Shitstorm antwortet, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Shitstorm bereits im Keim erstickt wird. Die Triebfeder sozialer Netzwerke ist Geschwindigkeit und dies gilt vor allem für die Empörungsmaschinerie eines Shitstorms.

Exemplarisch sei hier der Shitstorm gegen die Restaurantkette Taco-Bell in den USA von 2013  angeführt. In den sozialen Netzwerken tauchte ein ekelerregendes Foto eines jungen Mitarbeiters auf, der mit seiner Zunge über einen Stoß Tacos fuhr. Die Empörungswelle gegenüber dem Unternehmen war massiv und zwang die Verantwortlichen zu einer raschen Reaktion. Innerhalb von 24 Stunden recherchierte das Social-Media-Team des Konzerns die Hintergründe des Vorfalls und machte auf der Unternehmensseite eine Stellungnahme publik und beantwortete die Anfragen in den sozialen Netzwerken individuell anstatt nur Textbausteine zu versenden. Die Kundinnen und Kunden des Unternehmens akzeptierten die plausible  Erklärung, dass der Mitarbeiter sich einen Scherz mit Tacos erlaubte, die nie für den Verkauf vorgesehen waren. Es handelte sich um Lebensmittel, die nur zu Trainingszwecken für eine Personalschulung Verwendung fanden und anschließend entsorgt wurden.[63]

Zu einer schnellen Reaktionsfähigkeit in der ersten Phase eines Shitstorms ist es für Unternehmen auch maßgeblich die Zielrichtung der Gegenmaßnahmen zu identifizieren und zu analysieren. Einige wenige Leitfragen können diese Analysearbeit beschleunigen: [64]

  • Um welches soziale Netzwerk handelt es sich?
  • Wie relevant ist das soziale Netzwerk?
  • Wie stark vernetzt sind die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Shitstorms?
  • Ist ein Überspringen des Shitstorms auf die Offline-Welt wahrscheinlich?

 

5.2.2    Reaktionen in der Praxis

Die Literatur verweist in gut gelungenen Best-Practice-Beispielen, wie Unternehmen erfolgreich gegen einen Shitstorm auftreten können.[65] Die grundlegendsten Reaktionen werden im Folgenden dargelegt.

Wenn die Kritik an einem Unternehmen berechtigt ist, zeigt eine Entschuldigung das Eingestehen eines Fehlverhaltens. Viele Unternehmen senden emotionsgeladene Werbung oder Verknüpfen ihre Produkte oder Dienstleistungen mit einem bestimmten Lebensgefühl oder einer bestimmten Lebensart. KonsumentInnen erwarten im Umkehrschluss, dass sich das Unternehmen bei berechtigter Kritik um Entschuldigung bittet. Dabei ist zu beachten, dass die Entschuldigung nicht an Bedingungen geknüpft ist oder nach einer Rechtfertigung klingt. Entsprechende Relativierungen oder Erklärungen kann das Unternehmen nach Abflauen des Shitstorms immer noch nachreichen.[66]

Um der Krisenintervention und den gesendeten Unternehmensbotschaften Nachdruck zu verleihen, empfiehlt es sich, dass auch gut vernetzte Führungspersonen in den sozialen Netzwerken für das Unternehmen eintreten und ihn ihrem Namen Reaktionen verbreiten. Mit dieser persönlichen Initiative bekommt das Unternehmen ein Gesicht in der Öffentlichkeit der sozialen Netzwerke und den Userinnen und Usern wird das Gefühl vermittelt, dass sich ein Mensch um ihr Anliegen kümmert.[67]

Sind für ein Unternehmen die Hintergründe eines Shitstorms nicht klar oder nicht eindeutig zu identifizieren, empfiehlt die Literatur externe Hilfe oder Beratung heran zu ziehen. Diese Unklarheiten können unter anderem auf kulturellen, gesellschaftlichen oder religiösen Unterschieden basieren. Fehlt die diesbezügliche Expertise im Unternehmen, müssen externe Professionalsten befragt werden, wie dem Shitstorm unter Bedachtnahme der Auffassungsunterschiede begegnet werden kann.[68]

5.2.3    Gebote und Verbote für Reaktionen

Unternehmen im Shitstorm sollten sich nicht an Spekulationen beteiligen oder diese in Gang setzen. Außerdem sollten darauf verzichtet werden unverständliche Botschaften zu senden. Wissenschaftlich abstrakte Sprache sowie technisches Fachvokabular ist zu vermeiden. Die gesendeten Botschaften dürfen nicht unglaubwürdig sein.[69]

Als negatives Beispiel ist hier der Fall des Lecks einer Bohrplattform des Konzerns BP im Golf von Mexiko angeführt. Das Unternehmen hatte alle Maßnahmen der Krisenprävention ergriffen und war auf Kommunikationskrisen gut vorbereitet. Trotzdem verstrickte sich BP in Widersprüche. Zunächst wurde bestritten, dass es überhaupt ein Leck gab. Dann wurde zugegeben, dass Öl austritt und der Eindruck vermittelt, der Konzern hätte die Lage unter Kontrolle. Gegenteilige Medienberichte, die mangelhafte Koordination der Krisenmaßnahmen sowie eine unklare Krisenstrategie brachten schlussendlich den totalen Kurswechsel in der Krisenkommunikation. Der bis zu diesem Zeitpunkt defensiv agierende Konzern schlug eine offensive Kooperationsstrategie ein und räumte ein, dass man noch einen langen Weg vor sich hätte, man aber noch nicht wisse wohin der Weg führe.[70]

Nichts empört die Netzgemeinde mehr, als ein Unternehmen, das auf einen Shitstorm mit Klagsdrohungen reagiert. Die Kritikerinnen und Kritiker in den sozialen Netzwerken fassen dies als Maulkorb oder Sprechverbot auf. Diese Vorgehensweise ist kontraproduktiv, da die Wahrscheinlichkeit steigt, dass noch mehr Userinnen und User auf den Shitstorm aufspringen, sich mit den Federführenden solidarisieren und die negativen Botschaften verstärken. Mehrere Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit verdeutlichen anschaulich, dass die Drohung mit Unterlassungsklagen oder Verleumdungsklagen dem Unternehmen nicht hilft den Shitstorm abzuwenden. Exemplarisch seinen hier erwähnt: Nestlé versus Greenpeace, Jack Wolfskin versus Nebenerwerbsschneiderin, Theo Zwanziger versus Jens Weinreich.[71]

Unbedingt vermieden werden sollten Beschimpfungen, Beleidigungen sowie das Flüchten in die Opferrolle. Dies hat häufig zur Folge, dass sich der Shitstorm nicht mehr kontrollieren lässt. Ein Reputationsverlust ist für das betroffene Unternehmen wahrscheinlich.[72]

Wie bereits oben erwähnt, ist offene, ehrliche und transparente Kommunikation der zentrale Schlüssel für ein Unternehmen um einem Shitstorm professionell zu begegnen. Die Zensur unliebsamer Beiträge in sozialen Netzwerken muss daher zwingend unterbleiben. Empörte Userinnen und User werden nur aufgebrachter, wenn ihre Beiträge gelöscht werden und werden ihr Anliegen mit Hinweis auf Zensur noch einmal auf der Unternehmensseite zur Sprache bringen. Zumal assoziieren Userinnen und User Zensur mit dem Versuch eine Meinung zu unterdrücken oder nicht gelten zu lassen. Dies wiederspricht den Regeln fairer Kommunikation im Internet. Unternehmen im Sog eines Shitstorms sollten allerdings sehr wohl Beiträge löschen, die gegen geltendes Recht verstoßen oder andere Userinnen und User beleidigen. Diese Art der Zensur schätzt die Internetgemeinde als positiven Eingriff in die Diskussionskultur.

Wenn der Shitstorm einen bestimmten Level an Dynamik und Größe erreicht hat, werden Userinnen und User außerdem den Empörungssturm auf einschlägigen Internetchroniken oder auf der Seite des Unternehmens in der Online-Enzyklopädie Wikipedia vermerken. Betroffene Unternehmen sollen auch hier Zensur oder das Umschreiben eines Artikels unterlassen. Beispielsweise wird jede Änderung auf Wikipedia geloggt und kann von der Internetgemeinde nachvollzogen werden. Eine derartige Zensur führt zwangsweise zum nächsten, größeren Shitstorm.[73]

Aus Unternehmenssicht ist ein Shitstorm immer eine heikle Situation, die mit Kosten und Reputationsverlust verbunden ist. Unternehmen haben andererseits auch die Provokation von Empörungswellen gegen andere Unternehmen zu unterlassen. Die Internetgemeinde reagiert sehr sensibel auf Streitigkeiten zwischen Unternehmen und kann dies zum Anlass nehmen das provozierende Unternehmen selbst genauer zu betrachten und nach möglichen Angriffspunkten für einen Shitstorms zu suchen.[74]

Besonders aktive Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die den Shitstorm auffällig  intensiv vorantreiben aber nur wenig Reichweite haben, bezeichnet die Literatur als Trolle. Sie sind provokant und buhlen um Aufmerksamkeit in den sozialen Netzwerken.[75] Eine andere Definition des Begriffs ist ähnlich: Ein „Troll ist eine Person […], die stark provoziert und andere beleidigt, ohne einen tatsächlichen Beitrag zur Debatte zu leisten. Es geht dem Troll darum, Reaktionen herauszufordern.“[76] Die Literatur ist sich ebenfalls einig, dass man Trollen keinen Anlass geben soll um den Shitstorm weiter anzuheizen. In der Netzkultur hat sich das Motto „Do not feed the Troll!“[77] (Füttere nicht den Troll!) entwickelt. Häufig posten Moderatorinnen oder Moderatoren in sozialen Netzwerken das Akronym DNFTT um damit alle Diskussionsteilnehmerinnen und Diskussionsteilnehmer zu bitten einen oder mehrere Trolle zu ignorieren.[78]

5.3       Shitstorm-Rehabilitation

Im nun folgenden Abschlusskapitel will der Autor auf die Rehabilitation des Unternehmens nach einen Shitstorm eingehen. Ein Grundmerkmal eines Shitstorms ist, dass das Phänomen nach einem Zeitraum abflaut und schlussendlich verschwindet. Nach der Interventionsphase beginnt der Abschnitt der Unternehmensreflexion, begleitet von dem Reputationsaufbau und dem Kompetenzausbaus.[79]

5.3.1    Unternehmensreflexion

Wenn eine Empörungswelle das betreffende Unternehmen langfristig beschäftigt, liegen die Gründe meist in der Unternehmenskultur, am Produktionsprozess oder an Eigenschaften eines bestimmten Produktes oder einer Dienstleistung. Das Unternehmen muss eine nachhaltige Strategie finden um diesen Umständen zu begegnen. Diese Strategie ist je nach Branche des Unternehmens, der Art des Produktes oder der Dienstleistung unterschiedlich. Wichtig ist jedoch, dass die Änderung innerhalb des Unternehmens nach außen offen, transparent und authentisch kommuniziert wird. Es empfiehlt sich zu diesem Zweck vorrangig die den Shitstorm vorantreibenden Akteure, Fachjournalisten oder Blogger über den unternehmensinternen Kurswechsel zu informieren. Wenn das betreffende Unternehmen eine gute Beziehung zu Meinungsbildnern hat, wird die positive Botschaft von denselben multipliziert werden und die Öffentlichkeit erfährt von vertrauenswürdigen Akteuren, dass das Unternehmen die Kritik nicht nur angenommen sondern auch Strategien zur Änderung des empörenden Umstandes umgesetzt hat.[80]

Wenn es zu einem unternehmensinternen Kurswechsel kommt, muss das Führungspersonal diesen jedenfalls genau ausarbeiten und der Belegschaft angemessen kommunizieren. Ein Acht-Stufen-Plan für Führungskräfte vereinfacht die unternehmensinterne Kommunikation eines Wechsels in der Unternehmenskultur.

  1. Die Dringlichkeit der Thematik kommunizieren
  2. Geeignetes Führungspersonal für der Kurswechsel bestimmen
  3. Vision einer Unternehmenskultur kreieren
  4. Neue Unternehmenskultur erarbeiten
  5. Andere ermutigen mit zu entwickeln
  6. Schnelle Erfolge generieren
  7. Den Wechsel der Unternehmenskultur nicht abbrechen – weiterarbeiten
  8. Die neue Unternehmenskultur fest im Unternehmen verankern[81]

5.3.2    Reputationsaufbau

Der Reputationsaufbau ist mit einem eventuell angestrebten Wandel in der Unternehmenskultur eng verwoben und soll gleichzeitig erfolgen. Für das Unternehmen ist es von großer Bedeutung die im Shitstorm eingebüßte Reputation bei seinen Stakeholdern auf Vorkrisenniveau wiederherzustellen. Die kann ein langer und mühsamer Prozess bedeuten, der mit hohen Kosten verbunden ist. Das Führungspersonal muss sich in dieser Phase den Interessen der Stakeholder beugen und möglichst glaubwürdig den Eindruck erwecken die Krise sei vorbei und das Unternehmen habe daraus gelernt. Beruhigungsfloskeln klingen einerseits hohl, andererseits wollen Menschen glauben, dass die Sicherheit und Ordnung wiederhergestellt ist.[82]

Die Literatur empfiehlt außer Beschwichtigungen gegenüber den Stakeholdern noch einige kostengünstige und rasch durchführbare Methoden um den Reputationsaufbau zumindest zu beschleunigen:

Vorrangig sollten Unternehmen in der Reputationsaufbauphase mit unterhaltsamen, nützlichen oder selbstironischen Inhalten in soziale Netzwerken auftreten. Vor allem Selbstironie eines großen Konzerns oder scheinbar machtvollen Unternehmensgruppe kann Wohlwollen bei den Interessensgruppen hervorrufen.

Alternativ kann man auch bestehende Inhalte aus dem Internet ausgreifen uns sie für sich nützen. Besonders beliebt ist so genannter User-Generated-Content. Das sind Inhalte, die von Userinnen und Usern erstellt worden sind und damit beispielsweise an einer vom Unternehmen veranstalteten Verlosung teilnehmen. Positiver Zusatzeffekt ist neben dem Reputationsaufbau auch die gewonnene Kundenbindung durch die Interaktion mit dem Unternehmen.

Search-Engine-Optimization bedeutet den eigenen Unternehmensauftritt in sozialen Netzwerken und ihrer Homepage unter dem Aspekt ausgewählter Schlüsselbegriffe zu optimieren. Unternehmen sollten beliebt Suchbegriffe in ihren den jeweiligen Kanälen einbauen um von Suchmaschinen schneller und besser gelistet zu werden.[83]

5.3.3    Kompetenzausbau

Hat ein Unternehmen einen Shitstorm abgewendet oder ist dieser abgeflaut, empfiehlt es sich aus der Erfahrung der Empörungswelle zu lernen. Es ergeben sich hieraus vielfältige Möglichkeiten die Kommunikationskompetenzen des Unternehmens auszubauen und nachhaltig in die Unternehmenskultur zu integrieren. Lernt ein Unternehmen aus den Erfahrungen eines Shitstorms, kann es diese Erkenntnisgewinne für das Abwenden der nächsten digitalen Kommunikationskrise nützen. Exemplarisch sei hier wieder der internationale Nahrungsmittelkonzern Nestlé erwähnt, der nach seinen ersten Erfahrungen mit Shitstorms eine der größten Social-Media-Units der Welt aufgebaut hat. Das schweizerische Unternehmen investiert nun mittlerweile 12% seines jährlichen Marketing Budgets in eine eigene Social-Media Abteilung und arbeitet mit den größten Internetkonzernen eng zusammen.[84] Nestlé Marketingchef und Mitglied der Konzernleitung Patrice Bula kommentiert den Wandel in der Kommunikationskultur wie folgt:

„Social Media hat bei uns eine völlig neue strategische Bedeutung erhalten. Wir haben Leute mit Social-Media-Erfahrung angestellt. Konzernchef Paul Bulcke, ich und andere gingen eine ganze Woche ins Silicon Valley und trafen alle wichtigen Akteure: Facebook, Google, Twitter, Instagram. Dann erarbeiteten wir eine Strategie.“[85]

6            Conclusio und Ausblick auf Anschlussforschung

Im Zuge dieses Bachelorarbeit wurde der derzeitige Stand der Literatur zu Strategien für Unternehmen im Umgang mit einem Shitstorm in sozialen Netzwerken kritisch analysiert und Widersprüche und ergänzende Angaben aufgezeigt.

Im Hinblick auf die Forschungsfrage, wie Unternehmen ihre Krisenkommunikation ausrichten sollen, um auf einen Shitstorm in sozialen Netzwerken zu reagieren, kann mit Hinweis auf die dargelegten theoretischen Konzepte, folgendes festgestellt werden:

Unternehmen benötigen ein Bündel an vorbereiteten Kommunikationsmaßnahmen, die je nach Phase eines Shitstorms zum Einsatz kommen können. Besonderes Augenmerk sollen Unternehmen auf ehrliche Unternehmenskommunikation, offene Unternehmenskultur, die Erstellung von Social Media Guidelines und einen professionellen Unternehmensauftritt im Internet legen um die Wahrscheinlichkeit von Shitstorms zu minimieren. Außerdem wird Unternehmen die Einrichtung eines Social-Media-Monitors angeraten um das Aufkommen so rasch wie möglich identifizieren zu können.

Während eines Shitstorms ist es besonders wichtig schnell, angemessen und zielgerichtet auf den Shitstorm zu reagieren. Die Auswahl der Krisenstrategie ist für den weiteren Verlauf von großer Bedeutung. Die persönliche Entschuldigung einer Führungsperson hilft die aufgebrachte Stimmung zu beruhigen. Bricht Kommunikationschaos aus, wird Unternehmen empfohlen externe Hilfe von Beratungsunternehmen in Anspruch zu nehmen. Destruktive Mittel wie Provokation, Spekulation, Zensur, Beschimpfungen oder Klagsdrohungen sind zu unterlassen.

Nach einem Shitstorm gilt es aus den Erfahrungen zu lernen, diese in die Unternehmenskultur einzubinden und die Krisenkommunikationsstrategie bei Fehlern dementsprechend umzugestalten. Die wichtigste Unternehmensaufgabe in dieser letzten Phase ist nun der Rückgewinn der verlorenen Reputation. Hier können wiederum soziale Netzwerke einen wertvollen Beitrag leisten.

Die vorliegende Arbeit hat außerdem gezeigt, dass ein großer Bedarf für Anschlussforschung in Teilbereichen des beleuchteten Themas besteht. Die bestehende Literatur erweist sich vor allem in Hinblick auf die Prävention von Shitstorms als ergiebig. Die Reputationsaufbauphase wird ebenfalls weitreichend durch die bestehenden Werkzeuge aus der Öffentlichkeitsarbeit behandelt. Jedoch ist der Stand der wissenschaftlichen Literatur bezogen auf die Interventionsphase und tatsächliche Handlungsempfehlungen wie sich ein Unternehmen in einem Shitstorm verhalten soll, gering. Die Komplexität der Praxis machen Shitstorms schwer berechenbar und können einen großen Kostenfaktor für betroffene Unternehmen darstellen. Außerdem ist anzunehmen,  dass die Häufigkeit und die Dynamik von Shitstorms wegen der stark ansteigenden Userzahlen sozialer Netzwerke weiter zunehmen werden. Hier empfiehlt der Autor anzuschließen und weitere Forschung in dieser Richtung zu betreiben.

 

7            Literaturverzeichnis

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[1] Bundesverband Digitale Wirtschaft e.V. (2014) S. 6.

[2] Vgl. University of Massachusetts Dartmouth (2013) online.

[3] Vgl. Bruhn (2014) S. 91 ff.

[4] Vgl. Pekka (2010) S. 43 f.

[5] Vgl. Steinke (2014) S. 179 ff.

[6] Vgl. Puttenat (2012) S. 116.

[7] Vgl. Steinke (2014) S. 44.

[8] Vgl. Plankert/Zerres (2009) S. 11.

[9] Scherler (1996) S. 112.

[10] Vgl. Höbel/Hofmann (2014) S.12.

[11] Vgl. Plankert/Zerres (2009) S. 55.

[12] Vgl. Plankert/Zerres (2009) S. 56.

[13] Kielholz (2008) S. 64.

[14] Vgl. Huber (2013) S. 64.

[15] Vgl. Bruhn (2014) S. 1050.

[16] Vgl. Huber (2013) S. 65 f.

[17] Vgl. Bruhn (2014) S. 1051 f.

[18] Vgl. Huber (2013) S. 65.

[19] Vgl. Puttenat (2012) S. 99.

[20] Steinke (2014) S. 190.

[21] Schindler/Liller (2014) S.182.

[22] Steinke (2014) S. 190.

[23] t3n.de (2012) online.

[24] Vgl. Steinke (2014) S. 3.

[25] Vgl. Steinke (2014) S. 3.

[26] Vgl. SciLogs (2012) online.

[27] Steinke (2014) S. 4.

[28] Vgl. Steinke (2014) S. 4.

[29] Vgl. spiegel.de (2013) online.

[30] Vgl. Steinke (2014) S. 5.

[31] Schindler/Liller (2014) S. 183.

[32] Vgl. Steinke (2014) S. 44.

[33] Vgl. Schindler/Liller (2014) S. 173.

[34] Vgl. Steinke (2014) S. 44.

[35] Vgl. Watzlawick u. a. (2007) S. 53 ff.

[36] Vgl. Plankert/Zerres (2009) S. 12.

[37] Vgl. Plankert/Zerres (2009) S. 12.

[38] Vgl. Plankert/Zerres (2009) S. 12 f.

[39] Vgl. Scherler (1996) S. 205 ff.

[40] Vgl. Bruhn (2014) S. 1058 ff.

[41] Vgl. Höbel/Hofmann (2014) S. 51.

[42] Vgl. Huber (2013) S. 132 ff.

[43] Vgl. Höbel/Hofmann (2014) S. 52.

[44] Vgl. Steinke (2014) S. 19.

[45] Vgl. Steinke (2014) S. 20.

[46] Vgl. Höbel/Hofmann (2014) S. 65.

[47] Vgl. Steinke (2014) S. 21.

[48] Vgl. Höbel/Hofmann (2014) S. 65.

[49] Vgl. Steinke (2014) S. 21.

[50] Vgl. Calleen (2012) S. 182.

[51] Vgl. Steinke (2014) S. 20 f.

[52] Vgl. Bruhn (2014) S. 1083.

[53] Vgl. Steinke (2014) S. 20.

[54] Vgl. Huber (2013) S. 40.

[55] Vgl. Plankert/Zerres (2009) S. 30.

[56] Vgl. Steinke (2014) S. 21 f.

[57] Vgl. Höbel/Hofmann (2014) S. 65 f.

[58] Vgl. Plankert/Zerres (2009) S. 58.

[59] Vgl. Steinke (2014) S. 22 f.

[60] Vgl. Plankert/Zerres (2009) S. 172.

[61] Vgl. Höbel/Hofmann (2014) S. 70 ff.

[62] Plankert/Zerres (2009) S. 172.

[63] Vgl. Steinke (2014) S. 22.

[64] Vgl. Höbel/Hofmann (2014) S. 70.

[65] Vgl. Plankert/Zerres (2009) S. 127 ff.

[66] Vgl. Steinke (2014) S. 23.

[67] Höbel/Hofmann (2014) S. 71 ff.

[68] Vgl. Steinke (2014) S. 23.

[69] Vgl. Plankert/Zerres (2009) S. 173.

[70] Vgl. Höbel/Hofmann (2014) S. 72.

[71] Vgl. Steinke (2014) S. 24.

[72] Vgl. Marketing Magazin (2015) online.

[73] Vgl. Steinke (2014) S. 24.

[74] Vgl. Steinke (2014) S. 25.

[75] Vgl. Schindler / Liller (2014) S. 199.

[76] Huber (2013) S. 220.

[77] Westdeutsche Zeitung (2011) online.

[78] Calleen (2012) S. 183 f.

[79] Vgl. Höbel / Hofmann (2014) S. 73.

[80] Vgl. Steinke (2014) S. 25.

[81] Vgl. Cornelissen (2014) S. 225.

[82] Vgl. Plankert / Zerres (2009) S. 119 f.

[83] Vgl. Höbel / Hofmann (2014) S. 73 ff.

[84] Vgl. Steinke (2014) S. 25.

[85] Tagesanzeiger (2013) online.

 

 

Download: BA2015_Strategien im Umgang mit einem Shitstorm in sozialen Netzwerken aus Unternehmenssicht

 

Abflachung der Lebenseinkommenskurve

Hervorgehoben

Die Lebenseinkommenskurve muss abgeflacht werden.

Bürger und Bürgerinnen haben gerade dann die höchsten Lebensausgaben, wenn sie noch relativ wenig verdienen. Wohnraum-, Mobilitätsinvestitionen und Familiengründung finden meist in der jungen Lebenszeit statt, wenn der Verdienst noch nicht sehr hoch ist. Dabei sind diese die höchsten Ausgaben gemessen am Lebenseinkommen.

Bürger und Bürgerinnen im fortgeschrittenen Alter genießen jedoch ihre (meist) recht üppig ausgestatteten Pensionen, für die sie auch ihr Leben lang gearbeitet haben. Allerdings sind diese ehemaligen Einzahlungen der aktuellen Pensionisten und Pensionistinnen nicht mehr im System verfügbar sondern längst anderwärtig ausgegeben, da nicht zweckgebunden und weginflationiert. Dies ist ein Problem, das uns die Politik der 70er und 80er Jahre beschert hat – also nicht den heute jungen Leistungsträgern umzuhängen.

Betrachtet man noch die jährlichen Pensionssubventionierungen aus Steuermitteln und geliehenem Geld (erstere finanzieren v.a. aktuelle Leistungsträger und zweitere zukünftige Leistungsträger – also keinesfalls aktuelle Pensionistinnen und Pensionisten) mit dem die Pensionen auf das Niveau ihrer „wohlerworbenen Rechte“ angehoben werden, ergibt sich folgendes, perverses Bild:

Die angewarteten Pensionen der aktuellen Pensionistinnen und Pensionisten sind nicht vorhanden. Die aktuellen Pensionistinnen und Pensionisten bestehen natürlich auf ihre „wohlerworbenen Rechte“.
Die daraus entstehende Finanzierungslücke für die Altersversorgung tragen junge Leistungsträger, die aber eben in der Lage sein wollen sich ihre eigene Existenz zu schaffen. Stattdessen müssen sie herhalten, um die Generation des Wirtschaftswunders, die übrigens die erste Generation Europas ist, die niemals Krieg, Hunger oder Leid ertragen musste, äußerst prächtig zu finanzieren.

Dieser Umstand ist ungerecht, unsolidarisch, unfinanzierbar und vor allem nicht zukunftsfähig. Man denke an den sozialen Frieden zwischen Jung und Alt.

Die Abflachung der Lebenseinkommenskurve muss daher mittelfristig prioritär behandelt werden. Junge Menschen wollen leben und gestalten und nicht als Melkkuh für Pensionisten und Pensionistinnen herhalten.
Wenn man das ganze Thema strategiepolitisch betrachtet, muss es eine baldige Änderung geben. Ich sage es, wie es ist: Ältere Menschen gehen nicht mehr so lange wählen wie es Junge tun werden – auch wenn die Älteren derzeit noch die Mehrheit stellen. Sie werden verstehen, dass die Jugend Luft zum Atmen braucht.

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Transatlantic Trade and Investment Partnership – TTIP

Hervorgehoben

„Manchmal kommt mir in den Sinn nach Amerika zu segeln, nach dem großen Freiheitsstall, der bewohnt von Gleichheitsflegeln“ – Heinrich Heine

Introduction  – Quick Facts about TTIP

  • TTIP is a trade and investment agreement under negotiation between the EU and the US.
  • TTIP is designed to drive growth and create jobs.
  • Independent research shows that TTIP could boost:
    • the EU’s economy by €120 billion;
    • the US economy by €90 billion;
    • the rest of the world by €100 billion
  • Talks started in July 2013.

TTIP aims at removing trade barriers such as

  • tariffs
  • unnecessary regulations
  • restrictions on investment
  • in a wide range of economic sectors so as to make it easier to invest and buy and sell goods and services between the EU and the US.

European Economists for an Alternative Economic Policy in Europe
– Euromemorandum 2014 by EuroMemoGroup

The deepening divisions in Europe and the need for a radical alternative to EU policies

Are there alternatives to the current industrial policy?

  • Industrial policy played a marginal role since end of Fordism.
  • The current EU industrial policy aims of short-term market performance.
  • An alternative should link the objective of long-term industrial performance with concerns for a socio-ecological transformation.

European Commission’s policy flagship initiative – ‘A Stronger European Industry for Growth and Economic Recovery’ – October 2012

  • Investment in innovation
    • advances manufacturing technologies for clean production
    • key enabling technologies
    • bio-based products
    • sustainable industrial and construction policy and raw materials
    • clean vehicles and vessels
    • smart grids
  • Better market conditions
    • Internal market
    • International markets
  • Access to finance and capital
    • European Investment Bank
    • by unlocking private funds
  • The development of human capital and skills
    • job creation
    • promote industry’s competitiveness

Two fundamental weaknesses of the current Industrial policy –The EuroMemo Group criticizes

  • wrong basic approach
  • market mechanisms remain dominant
  • major industry players are not challenged
  • no political long-term orientation
  • Inability to shape change in Europe’s industries
  • lack of adequate resources
  • lack of adequate governance mechanism
  • industry lobbies influence outcomes

An alternative industrial policy in six dimension

  • A Europe-wide public investment plan
  • A reversal of the major loss of industrial capacity
  • An urgent drive to developed new environmentally sustainable, knowledge intensive, high skill and high wage economic activities
  • A reversal of the massive privatisations of recent decades and substantial public-sector support for new activities
  • The setting of a new trend towards a different kind of ’security‘
  • The creation of a major new policy tool for an ecological transformation

EuroMemo‘s  alternative industrial policy tools

  • EuroMemo‘s alternative industrial policy tools
  • Renewal and integration of existing EU institutions in short-run
  • Establishing of a new dedicated national and supra-national institution in long-run
    • European Public Investment Bank
    • European Industrial Agency
  • Permanent reshaping of economic activities
  • Funds from Europe-wide resources
    • European Public Agency obtains receipts of a once-for-all wealth tax and of the newly introduced Financial Transactions Tax
    • European fiscal reform

EuroMemo Group questions several topics regarding TTIP

  • Regulatory standards in many highly sensitive public policy areas are very different between the trading parties
  • Regulatory philosophies in some areas are diametrically opposed to each other
  • Major differences between the EU and the US approach to data privacy and the exchange of private data
  • TTIP does not impair the democratic debate over these issues in the future
  • Investor-to-state dispute settlement (ISDS) will impose upon democratic decision-making in the public interest
  • More rights and protection to the financial industry

EuroMemo Group criticizes EU’s assessment of the impact of the TTIP

  • Two European Commission studies (ECORYS 2009 and CEPR 2013) on TTIP are
    • not reliable nor accurate
    • biased and too optimistic
  • because the equilibrium model
    • is imperfect.
    • clashes with empirical data.
    • assumes that there is no long-term unemployment.
    • bases on assumption of perfect competition.

An alternative approach to TTIP is needed

  • European Parliament and civil society must be fully informed
  • Relevant documents must be published
  • Individual studies should look at the likely consequences for
    • labour rights and conditions
    • the environment
    • the institutional set-up being proposed for future regulation, transparency, and democratic control

The public interest must be safeguarded!

  • No lowering of standards with regard to public health, public safety, the rights of workers and consumers, as well as the protection of the environment.
  • No de-facto transfers of regulatory competences from democratic institutions to unelected technocratic bodies.
  • No investor-to-state dispute settlement. The Commission’s proposal to insert a safeguard clause against ‚frivolous claims‘ by investors is insufficient in this respect.
  • No liberalisation and/or regulatory standstill with regard to financial services as well as public services, in particular in sectors such as health, social services, culture and water
  • No reductions in policy autonomy in crucial areas such as using public procurement for purposes of local development, or other public policy goals.

Karel De Gucht Düsseldorf  – Düsseldorf Speech 2014-01-22

Four Aspects of negotiations of TTIP

  • Regulatory barriers on trade
  • Investment Rules – ISDS
  • Involving people in TTIP negotiations
  • Benefits for EU

Regulatory barriers on trade – Why is it relevant?

Karel deGucht on TTIP

The European Union will not

  • lower standards of protection for citizens regarding food or the environment
  • abandon our policy on genetically modified food or on beef hormones
  • give the banks a free hand to speculate with people’s savings

The European Union will

  • talking about the present and future barriers between EU and US
  • find solutions that are in the interest of both sides
  • not compromise our values or lower the level of protection
  • reduce unnecessary costs

Investment Rules – ISDS

Investor-to-state dispute settlement allows companies to take direct claims against governments on investment matters to international arbitration panels.

Does ISDS corrupt democracy?

  • Investment protection rules are needed for global trade
  • ISDS objective is to reinforce the legitimacy and transparency of investment protection rules
  • Issues in practice and intense public interest raised qustions about ISDS.
  • Three month period of reflection for consultations about ISDS.
  • ISDS is paused.

Involving people in TTIP negotiations

Three ways to gain guidance and input from stakeholders

  • Involving European Union’s institutions – the European Parliament and the Council
  • Other institutions advise us on how to proceed and on the scope of the negotiations
  • People’s representatives (EU-Parliament) have to approve any trade agreement.
  • Nevertheless negotiations need confidentiality.
  • “If we want a good result, some level of confidentiality is required.”

Benefits for EU – Why TTIP?

  • Strengthen the European economy.
  • TTIP simulation shows “an output gain of about a half a per cent of GDP once all the effects of the agreement are felt”.
  • This means about 545 euro to the annual income of each European household.

Die Zukunft der Europäischen Union

Interdisziplinäre Analysen der Politikfelder der Europäischen Union – Abschlussarbeit

Mario Sandriesser, Benedikt Schwarz, Stephan Ullrich

27.11.2013

Wem der große Wurf gelungen,
Eines Freundes Freund zu seyn,
Wer ein holdes Weib errungen,
Mische seinen Jubel ein!
Ja – wer auch nur eine Seele
Sein nennt auf dem Erdenrund!
Und wer’s nie gekonnt, der stehle
Weinend sich aus diesem Bund!

Friedrich Schiller – An die Freude – 1785

Zweihundertachtundzwanzig Jahre ist es nun her, als Friedrich Schiller sein berühmtes Werk in der endgültigen Fassung niedergeschrieben hat. Im Jahre 1824 hat Beethoven die vertonte Liebeserklärung Schillers an die Freude uraufgeführt. Bereits 1955 hat Graf Coudenhove-Kalergi, der Gründer der Paneuropa-Union, vorgeschlagen, den Text Schillers für die Hymne eines vereinigten Europas zu verwenden. Im modernen Europa der 1980er-Jahre hat die EG schließlich Beethovens Neunte Sinfonie zur Europahymne gemacht. Allerdings: Die Europahymne hat offiziell keinen Text.

Wir haben die zweite Strophe der Ode absichtlich als Eingangszitat gewählt, da sie an die Solidarität, die Lebensfreude, die Aufrichtigkeit und die Gerechtigkeit der Menschen appellieren will – wichtige Eigenschaften, die bei der Bewältigung einer Krise helfen können. Europa steckt mitsamt der globalen Wirtschaft in einer Krise, die uns gelehrt haben sollte einiges in Europa und den globalen Mechanismen, die unser tägliches Zusammenleben steuern und lenken, zu verändern. Europa muss das Reformpotential nach Abflachen der Krise ausnützen, um konkrete strukturelle Änderungen in allen Politikbereichen durchzusetzen – national, intergouvernemental und supranational. Wir haben in der folgenden Arbeit einige Politikfelder analysiert und versucht das ideale Europa unserer Zukunft zu skizzieren.

Die Europäische Kommission zählt auf ihrer Homepage fünfzehn Politikbereiche auf. Bekanntermaßen ist die Kompetenz der Europäischen Union nicht in jedem Politikbereich gleich stark. Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik zum Beispiel ist immer noch zu großen Teilen in nationalstaatlichen Händen. In Bereichen der Wirtschafts- und Währungspolitik hingegen kann die Europäische Union ihre Stärken ausspielen.

Landwirtschaft, Fischerei und Lebensmittelsicherheit

Die GAP (Gemeinsame Agrarpolitik) wie auch die GFP (Gemeinsame Fischereipolitik) sind berechtige Instrumente um das europäische Angebot an Nahrungsmitteln sicherzustellen. Wie in der Vergangenheit leider zu häufig, wurde in der Denkart der Europäischen Union industrie-ökonomischen Belangen mehr Bedeutung zugemessen als ökologischen Notwendigkeiten. Der offizielle Leitfaden der Europäischen Kommission zeigt eindrucksvoll wie viel an Budgetmitteln in den Erhalt der überdimensionierten, europäischen Fischereiflotten aufgewendet wird. Nicht selten kann man europäische Fabrikschiffe vor den Küsten Westafrikas finden, die den heimischen Fischern und ihren kleineren Booten keine Chance lassen selbst ihr tägliches Brot aus de, Atlantik zu entnehmen. Es ist grotesk und beschämend armen Ländern die Nahrungsgrundlage vor der Nase wegzufischen und im Gegenzug Entwicklungshilfe zu leisten.

Die Europäische Union hat erkannt, dass die GFP stärker reglementiert werden muss uns erwähnt folgende Vorschläge:

  • Die Mitgliedstaaten sollen Maßnahmen zur Anpassung der Fangkapazitäten ihrer Flotten treffen, um ein Gleichgewicht zwischen dieser Kapazität und ihren Fangmöglichkeiten zu erreichen.
  • Es dürfen keine öffentlichen Gelder für den Aufbau neuer Kapazitäten oder die „Modernisierung“ von Schiffen verwendet werden, wodurch sie ihre Fangleistung verstärken.
  • Außerdem dürfen öffentliche Gelder nicht dazu verwendet werden, Überkapazitäten in Drittländer zu „exportieren“.
  • Es dürfen auch keine neuen mit Privatgeldern finanzierten Kapazitäten in die Flotte eingehen. Es sei denn, es wird mindestens eine gleich hohe Kapazität entnommen, die ebenfalls mit privaten Geldern finanziert wurde.
  • Mit öffentlichen Geldern stillgelegte Kapazitäten (Stilllegungsprogramme) dürfen nicht ersetzt werden

Das Agrarbudget der Europäischen Union, das den Großteil des Gesamthaushaltes darstellt, wird nur sukzessive verringert. Zu viele landwirtschaftliche Betriebe könnten schlicht ohne EU-Subventionen nicht überleben. Dafür muss eine Lösung gefunden werden, die den öffentlichen Haushalt nicht auf Jahrzehnte belastet und deren ökonomische Auswirkungen der Konsument hochwertiger landwirtschaftlicher Produkte wird tragen müssen. Außerdem muss die Kontrolle der Mittelempfänger erhöht, sowie Doppelgleisigkeiten in der Subventionspolitik abgeschafft werden. Reformiert wurde die GAP mittels der Verordnung (EG) Nr. 1290/2005 des Rates vom 21. Juni 2005 über die Finanzierung der Gemeinsamen Agrarpolitik. Eine gute Zusammenfassung über die GAP der Europäischen Union findet man hier.

Unter anderem heißt es:

Kontrolle durch die Kommission

Durch ein zweistufiges Verfahren, das sich aus einem Rechnungs- und einem Konformitätsabschluss zusammensetzt, stellt die Kommission sicher, dass bei der Verwendung der Mittel die Grundsätze wirtschaftlicher Haushaltsführung gewahrt bleiben. Die Mitgliedstaaten müssen der Kommission alle Informationen zur Verfügung halten, die für das ordnungsgemäße Funktionieren der Fonds erforderlich sind. Die Mitgliedstaaten führen Kontrollen entsprechend den einzelstaatlichen Bestimmungen durch; daneben kann die Kommission eigene Vor-Ort-Kontrollen vornehmen. Im Rahmen des EGFL und des ELER können die für einen Mitgliedstaat bestimmten Zahlungen gekürzt oder ausgesetzt werden, wenn gewisse gravierende und anhaltende Mängel festgestellt werden.Die Namen der Begünstigten der Agrarfonds sowie die Beträge, die sie erhalten haben, sind in Nachhinein zu veröffentlichen.

Was muss sich verändern?

  • Stärkere Kontrolle der Fischereigebiete der europäischen Fischereiflotten.
  • Umdenken in agrarischer Subventionskultur. Hochsubventionierte Produkte müssen mehr kosten dürfen bzw. Subventionen müssen auf hinsichtlich ihres ökologischen Fußabdruck untersucht werden.
  • Das Programm zur Lebensmittelsicherheit muss ausgebaut werden.

Wirtschaft, Finanzen und Steuern

Die europäische Union ist eine Wirtschaftsgemeinschaft. Die den Frieden bewahrende europäische Wirtschaft war der Gründungsgedanke der Ur-Gründer der Europäischen Union. Alle anderen Politikfelder sind im Laufe der Zeit hinzugekommen, aber die Wirtschaft war immer das zentrale Thema der Europäischen Union und ihrer Vorläuferinnen. Wir alle kennen die Vorteile des freien Waren- und Dienstleistungsverkehres, wir genießen die Personenfreizügigkeit und einige Bürger auch vermehrt die Kapitalverkehrsfreiheit. Seit einigen Jahren kennt man in Europa auch die Schattenseiten eine dieser Freiheiten.

Exkurs – Die Gründe der Entstehung der Finanzkrise

Die exzessive Deregulierung der Kapitalmärkte hat fundamentalistischen Strömungen des Neoliberalismus Tür und Tor geöffnet, die ab den 1980er Jahren nach und nach die liberale Öffnung der Märkte missbraucht haben. Es war der damalige Zeitgeist, der eine derartige Öffnung der privaten Märkte nach außen sowie der öffentlichen Märkte nach innen auslösen sollte. Nach dem Zusammenbrechen der .com-Blase um den Beginn des neuen Jahrtausends musste das eben auf den Kapitalmärkten vernichtete Kapital dem gesamten Wirtschaftskreislauf rückgeführt werden um den globalwirtschaftlichen Output aufrecht zu erhalten.

Schon die Prämissen den Output aufrechterhalten zu müssen, grenzt die Handlungsalternativen drastisch ein. Die Politik wie die Ökonomie der frühen 2000er Jahre hätten auch entscheiden können, dass der Finanzmarkt alleine an der riesigen Geldvernichtung Schuld trägt und dieser Sektor nun eben mal plötzlich sehr viel kleiner ist als vorher. Die Realwirtschaft hätte dies gespürt, wäre eventuell geschrumpft, aber das System hätte sich selbst wieder auf Vordermann gebracht. Die Neoliberalen vergaßen ihren Grundsatz, dass sich der Markt selbst reguliert und mischten sich ein. In den heißesten Phasen ökonomischer Krisen tendieren Verantwortungsträger auf zur Vergesslichkeit und Paradigmenwechsel.

Was uns Smith mit dem plumpen Beispiel der unsichtbaren Hand sagen wollte war, dass sich der streng sich selbst überlassene Markt automatisch zur Autohygiene greift. Wie schnell sich die unsichtbare Hand zur eisernen Faust entwickeln würde, wenn man ihre Wege kreuzt, wusste Smith klarerweise noch nicht.

Die Entscheidungsträger aus Wirtschaft und Politik entschieden sich jedoch in den Markt einzugreifen um mächtige Finanzinvestoren zu schützen und ihr eben verlorenes Kapital künstlich in den Finanzsektor wieder einzubringen. Die stete Angst der Ökonomen vor Inflation – man könnte geradezu von einer ökonomisch-intellektuellen Inflationsphobie sprechen – schlug auch hier wieder zu. Die Idee die Notenpresse anzuwerfen war wohl etwas zu platt einerseits und viel zu leicht für die wählende Bevölkerung zu durchschauen. Also wählte man ein Mittel, das unsere aktuelle Krise erst möglich machte.

Der Finanzsektor wurde mit extrem billigem Geld versorgt, das nach Absprache direkt vor allem in den nordamerikanischen, asiatischen und südeuropäischen Immobilen Markt gepumpt wurde. Konservativ agierende Finanzinvestoren, die die .com-Blase einigermaßen gut überstanden hatten, gierten danach ihr Kapital in alternativen Anlageopportunitäten als der new economy zu vermehren.

Den Rest kennen wir. Schuldnerqualifikationen wurden systematisch liberalisiert, ausfallsgefährdete Schuldner wurden mit immer mehr Hypotheken überschuldet. Das System überhitzte. Die Hypothekenbanken hatten quasi freie Hand und verkauften ihre Gläubigerposition gebündelt an Investmentbaken, die ex post betrachtet keine Ahnung hatten was sie da wirklich in ihren Büchern hielten. Diese Banken sind mittlerweile bankrott, zerschlagen, in Staatsbesitz oder kämpfen ums Überleben. Mit diesem Schritt hatte die Marktkapitalisierung nach dem Platzen der .com-Blase den Investmentsektor des Jahres 2007 erreicht und einiger Zeit stagnieren auch die führenden Nationalökonomien der Welt. Die Feuerwehr ist zum Brandherd geworden.

The Subprime Mortgage Crises Explained

Was muss sich verändern?

Liberales Wirtschaftstreiben ist eine Grundvoraussetzung für Wohlstand und Fortschritt in unseren modernen Gesellschaften. Diesen Zusammenhang wussten mit den großen politischen Umwälzungen der 1990er Jahre sogar Staaten und Staatenbünde zu schätzen, die bisher eine planwirtschaftlich und zentralistisch gesteuerte Ökonomie verfolgten. Wohlstand und Fortschritt können aber auch Waffen sein. Nicht im kriegerischen Sinne. Aber sie können sich gegen die richten, die nicht so schnell (mit-) können oder wollen. Der Neoliberalismus hat diese Waffen bis ans Erträglichste getestet und teilweise überstrapaziert. Es ist unverständlich wie das reichste Prozent der Weltbevölkerung sein Kapital in den letzten Krisenjahren um dreizehn (sic!) Prozent steigern konnte. (Profil August/2013)

Die derzeitigen Pläne um die Finanzen und den Finanzsektor der Mitgliedsstaaten der europäischen Union in den Griff zu bekommen sind lapidar gesagt nichts Besseres als die Schnellschussaktionen nach Platzen der .-com Blase. EFSF, ESF und ESM können nur gute Mechanismen für die kurze Frist sein. Europa kann die Krise nicht alleine lösen. Andere große Volkswirtschaften haben nicht das spezielle Problem einer indifferenten Finanz-, Steuer- und Einkommensstruktur wie es die Mitglieder der Europäischen Union aufweisen.

Die Europäische Union und deren Mitgliedsstaaten müssen in den nächsten Jahren in den globalen Gremien dafür intervenieren, dass aktive, globale und sanktionierbare Investitionsregeln ratifiziert werden. Die Finanztraktionssteuer ist ein erster Schritt, für den aber jetzt schon Schlupflöcher gesucht wurden und gefunden worden sind, da sie kein globales Instrument ist. Was die Europäische Union zum derzeitigen Punkt machen kann und muss ist die heißesten Feuer vor der eigenen Haustüre zu löschen und international dafür einzutreten, dass menschenverachtende Auswüchse des Neoliberalismus nicht mehr tolerierbar sind.
Europa muss versuchen eine globale Vorreiterrolle einzunehmen betreffend sozialen Ausgleichs, moralischem Investments und strenger Sanktionierung bei Nichteinhaltung der Regeln. So könnte die Krise genutzt werden um einzigartiges Klima des geschützten Investments innerhalb des Euroraumes zu schaffen. Europa könnte die tonangebende Kraft im globalen Orchester der Finanzplätze sein und internationale Standards für modernes, sozial-ethisches, ökologisches und stringentes Wirtschaften legen. Das ist eine einmalige Chance, die Europa wegen seiner noch immer sehr zerklüfteten Strukturen wahrscheinlich nicht sehr bald einnehmen wird können. Das ist unserer Meinung nach sehr schade. Wie fast immer ist die sozioökonomische Realität der politischen Realität immer eine gute Dekade voraus.

Zurzeit befinden sich die kriselnden südeuropäischen Staaten in einer Transformationsphase der politischen Realität, die nicht Gutes erahnen lässt. Der Extremismus links wie rechts nimmt zu. Rechtextreme Parteien sitzen neben Linksextremen in der griechischen Volksvertretung. Demonstrationen. Schüsse fallen. Tote. Das sind die politischen und sozialen Auswüchse eines neoliberalen Zeitgeistes, dessen Flügel ab und an gestutzt werden sollten. Dafür muss die Europäische Union kämpfen. Wie die Europäische Union das machen soll beschreiben wir etwas weiter unten.

  • Geschäftsbanken müssen strengeren Stresstests unterzogen werden.
  • Rating-Agenturen müssen ihre Ratings vor Veröffentlichung untereinander abgleichen um Fehlertoleranzen zu minimieren.
  • Globale Finanzströme müssen strenger von unabhängigen zu schaffenden Gremien kontrolliert und überwacht werden.
  • Die Zentralbanken müssen die Finanzmärkte durch strengere Kontrolle und sanfte Eingriffe vor Überhitzung bewahren.
  • Höchstakkumulierte Kapitalmengen müssen zwangsweise in die Realwirtschaft wiedereingebracht werden.
  • Das Steuerniveau auf Arbeit muss in Europa sinken.
  • Maastricht-Kriterien müssen neu überdacht werden. Flexiblere Gestaltung UND strenge Einhaltung müssen in ALLEN europäischen Staaten Einzug halten.
  • Ausweitung des skandinavisch-österreichischen Konzepts der Sozialpartnerschaft auf die gesamte Europäische Union. Stichwort Lohnfindung.

Die Zukunft Europas

Über die Zukunft Europas war auf der Homepage der Europäischen Kommission leider nicht viel zu finden. Auf den nationalen Seiten der einzelnen Vertretungen der Europäischen Kommission war noch weniger zu erfahren. Nichtsdestotrotz haben wir uns zusammengesetzt und unser Idealbild der Europäischen Union zu unserer Pensionierung entworfen – also in circa sechzig Jahren…

Wirtschaft

Die Europäische Union soll in sechzig Jahren eine sozial-human orientierte Wirtschaftsgemeinschaft sein. Kapital muss für Wachstum investiert werden, das wiederrum in Wohlstandszuwachs mündet. Kapital darf und soll auch akkumuliert werden – bis zu einer gewissen Grenze. Ab einer gewissen Menge an sehr langfristig akkumuliertem Kapital muss der Akkumulator das Kapital wieder innerhalb einer gewissen Frist in die Realwirtschaft einbringen. Falls er das nicht tut wird das über der Grenze liegende Kapital in einem Fond gebündelt und für krisenhafte Situationen als Backup für das globale Finanzsystem. Eine Versicherung für finanzstarke Investoren? Dieses System kann natürlich nur funktionieren, wenn ein global agierendes Regelwerk dahintersteht, das auch eine unabhängige, global finanzierte, neu zu schaffende Organisation restriktiv durchsetzen kann.

Politik und europäische Integration

Die Europäische Union ist das größte und längst währende Friedensprojekt, das die Menschheit je zu Stande gebracht hat. Für diese fast lächerliche Periode von sechzig Jahren Friede haben die europäischen Nationen, Völker und Stämme davor Jahrtausende lang Krieg geführt – könnte man meinen.

Europapolitik wird im Großen und Ganzen noch immer von nationalstaatlichen Befindlichkeiten getrieben, die den europäischen Entscheidungsfindungsprozess erheblich behindern. Die Europäische Union muss mehr supranationale Entscheidungskompetenzen erlangen, vor allem in den Bereichen Finanzen, Justiz, Inneres und auch Außenpolitik. Das Europäische Parlament muss als direkte Vertreterin der Bürger mehr Kontrollrechte erhalten und diese auch soweit auch als aktives Kontroll- und Mitgestaltungsorgan nutzen. Gleichzeitig sollten wieder einige Kompetenzen an regional- oder nationalstaatliche Organisationen nationalisiert werden.

In diesem Zusammenhang ist sicherlich auch der Ausgang der Regierungsbildung in der Bundesrepublik Deutschland zu erwähnen. Der Koalitionsvertrag umschließt auch den Plan für eine Autobahnmaut für ausländische PKW über Umwege. Diese tricks sind eigentlich nicht europarechtskonform. Man werde klagen, falls es tatsächlich so kommen sollte – haben ja bereits einige Regierungen angekündigt. Dieser Art nationalstaatliches Denken hat in einem Europa des einundzwanzigsten Jahrhunderts nichts verloren. Wobei wir bezweifeln, dass die Maut tatsächlich so umgesetzt werden wird.

Der Erweiterungsprozess ist für die Zukunft der Europäischen Union von entscheidender Wichtigkeit. Die Europäische Union ist heute schon der größte zusammenhängende Wirtschaftsraum der Welt mit den meisten Einwohnern, den höchsten Im- und Exporten. Der Beitritt des jüngsten Mitgliedsstaates des europäischen Wirtschaftsbundes – Kroatien – war ein wichtiger Schritt und ein noch wichtigeres Signal an die Staaten Ex-Jugoslawiens. Dauernden Frieden am Balkan zu sichern muss das Kernziel einer Europäischen Außenpolitik in Europa sein.

Nichtsdestotrotz muss eine neuerliche Erweiterung der Europäischen Union gerade in Zeit wirtschaftlicher Depression mit Bedacht geführt werden. Eine zukünftige Erweiterung muss ökonomisch wie sozial verträglich für die bestehenden Mitgliedsstaaten sein. Die bereits sehr komplizierten Mehrheitsfindungsregeln dürfen nicht weiter verkompliziert werden. Die Europäische Union muss trotz ihrer Größe und Behäbigkeit in der Lage sein schnell auf sie betreffende Ereignisse zu reagieren.

Großbritannien

Großbritannien fährt seit einigen Jahren einen sehr anti-europäischen Kurs. David Cameron ist vom rechten, anti-europäischen Flügel seiner Tories getrieben und muss aus Parteiräson ab und an Anti-Brüssel-Phrasen in die englische Presse mimen. Die Europäische Union ist nicht auf Großbritannien angewiesen. Wir können uns eine Europäische Union auch ohne das Vereinigte Königreich vorstellen.

Justiz

  • Wir hätten gerne, dass in sechzig Jahren keine Stacheldrahtzäune mehr in Afrika für eine spanische Exklave aufgestellt werden.
  • Wir hätten gerne, dass in sechzig Jahren niemand mehr im Mittelmeer ertrinkt, weil zu wenige Boote vorhanden sind.
  • Wir hätten gerne, dass in sechzig Jahren die Europäische Union langsam, gesund und nachhaltig gewachsen ist.

Public Relations

Es ist für die Europäische Union von größter Wichtigkeit ihre Public Relations besser zu pflegen. Leider ist es im europäischen politischen Diskurs zu einer Unart geworden, alles Störende  und vermeintlich Schlechte auf die Administration in Brüssel zu schieben. Populistische Parteien, NGOs, Unternehmen und der Boulevard beschweren sich gerne über „die da Oben“ in Brüssel, die unser ganzes Leben bestimmen würden und uns mit unnötigen Gesetzen und Verordnungen das Leben schwer machen würden. Die Europäische Union sollte durch die Kommissionsvertretungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten mehr Kontakte zu den Bürgern knüpfen. Nur die wenigsten Bürger der Europäischen Union fühlen sich tatsächlich als Europäer. Die meisten Menschen sind zuerst vor allem noch Deutsche, Franzosen, Belgier oder Griechen. Den Menschen das Gefühl zu geben, dass sie vor allem Europäer sind und danach eben zufällig in diesem oder jenem Land geboren sind ist die Aufgabe der Europäischen Union für die nähere Zukunft was das Verhältnis zu ihren Bürgern betrifft.

Arbeitslosigkeit – Soziale Ungleichgewichte – Sozialstaatstypen

Interdisziplinäre Analysen der Politikfelder der EU – Mittelarbeit

Frage 1: Welche der im Bericht der EU-Kommission dargelegten Entwicklungen (Punkte 1.2.2, 1.2.3, 1.2.6 und 1.3 samt Unterpunkten) halten Sie für die problematischsten? Begründen Sie Ihre Antwort.

Dass die europäische Wirtschaftskrise einen Anstieg der kurzfristigen Arbeitslosigkeit (ShortTerm Unemployment) mit sich bringt, überrascht nicht. Dass sich diese vergleichsweise sehr hohe STU-Rate vor allem in den Mitgliedsstaaten der EU mit einem sehr großen Jugendanteil in der Demographie zeigt, ist auch nicht wunderlich. Optimistisch gesehen mag man von einer Verteilung der billigen Arbeitskräfte über die EU im Sinne des freien Marktes ausgehen. Die Annahme einer langfristigen, natürlichen Arbeitslosenrate relativiert die Zahlen noch einmal um bis zu zwei Prozentpunkte nach unten.

Die neuartige Problematik liegt aber offensichtlich in der Geschwindigkeit der Transformation der STU-Rate hin zur LongTermUnemployment-Rate (LTU). Wie Abbildung 1 zeigt, bedeutet ein Anstieg der STU-Rate um einen Prozentpunkt einen Anstieg der LTU-Rate um 0,43 Prozentpunkte.

Es ist offensichtlich, dass ein weiter Anstieg der STU-Rate die LTU-Rate weiter nach oben treiben würde. Der hohe Anteil an Langzeitarbeitslosen würde natürlich gerade die kontinentaleuropäischen und sozialdemokratischen Sozialsysteme hart treffen. Ohne Einnahmen aus Einkommenssteuern usw., fehlen den Verantwortungsträgern schlicht die Mittel um die STU-Rate zu bekämpfen. Ein weiterer Anstieg der Langzeitarbeitslosenrate ist unausweichlich. Die – anders ausgedrückt – Persistenz der Arbeitslosenrate (EU Commission – Employment and Social Developments – S. 77) ist das drängende Problem der europäischen Wohlfahrtspolitik. Um es drastisch auszudrücken: Athen, Madrid, Lissabon und die Vororte von London und Paris haben schon gebrannt. Die Jugend braucht angemessene Ausbildung und langfristige Jobperspektiven. Andernfalls wird Europa wieder brennen.

Frage 2: Bei welchem der drei Sozialstaatstypen nach Obinger ist nach Merkel die Notwendigkeit zu kürzen am stärksten? Begründen Sie Ihre Antwort.

Diese Frage lässt sich aus dem Artikel der Financial Times nicht konkret beantworten. Trotzdem lässt sich in Verknüpfung der Frage mit dem Grundtenor der Analysen von Quentin Peel die Aufgabenstellung bewerkstelligen. Merkel lässt in einem Satz ihre Vorstellungen konkret durchklingen.

Umgelegt auf die Sozialstaatstyptheorie von Obiger (Obinger 2006 – S.127) kann Merkel damit nur den sozialdemokratisch geprägten Gesellschaftstypus angesprochen haben.

7:25:50

Sieben Prozent der Weltbevölkerung, die fünfundzwanzig Prozent des Globalen BIPs verursachen, berappen fünfzig (sic!) Prozent der globalen Sozialausgaben.

Die allumfassende Versorgung des Staates für den Bürger können wir uns im Angesicht der demographischen Entwicklungen in dieser Form und im Schatten einer Wirtschaftskrise nicht leisten.

Merkel tätigt eine populistische Aussage in Zeiten einer selbstverschuldeten Finanzkrise und bevorstehender Bundestagswahlen. Mag man sagen. Die Andere Denkart ist, dass ein Paradigmenwechsel in den klassisch sozialdemokratisch administrierten Mitgliedsstaaten innerhalb der Währungsunion (sic!) stattfinden muss. Rechtliberale Politiker verunglimpfen das sozialpartnerschaftliche Sozialsystem in Österreich beispielsweise als eine „Staatsversicherung von der Wiege bis zur Bahre“ (J. Bucher – NRW13). Ein Mittelweg muss gefunden werden. Merkel legt ihren Fokus klar auf Forschung und Entwicklung um damit die Jugend fit zu machen, die die Älteren in Zukunft erhalten sollen. Wie es de facto ja schon lange Jahre der Fall ist. Nur Bildung und F&E kann die Antwort auf Fragen der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den BRICs sein.

Frage 3: Welcher der drei Sozialstaatstypen nach Obinger ist aus Ihrer Sicht am ehesten geeignet die sozialpolitischen Herausforderungen zu meistern, die sich für Sie in Frage 1 ergeben? Begründen Sie Ihre Antwort.

Die sozialpolitischen Herausforderungen unserer Zeit sind meiner Meinung nach wiederum nur durch eine neue Denkart der Sozialstaatstypenkunde nach Obinger zu meistern. Die Verschmelzung der konservativen mit der sozialdemokratischen Lehre in der Realpolitik mögen wir Österreicher durch die viel gepriesene Sozialpartnerschaft – irgendwie unabsichtlich, so scheint es – erreichen.

Im gesamteuropäischen, wirtschaftlichen Kontext aber gesehen, verlangt es nach einer KURZFRISTIGEN und antizyklischen Wirtschaftsbelebung während und nach der Krise. Die Zeiten der klassischen, antizyklischen Politik auf Pump sind angesichts der massiven Staatsverschuldungen in der Währungsunion nicht mehr tragbar. Keynes hat Recht – aber es hält sich keiner an seine Lehre.

Das politische Trilemma der Weltwirtschaft – Das Globalisierungsparadoxon

Interdisziplinäre Analysen der Politikfelder der EU – Einstiegsarbeit

Frage 1: Was besagt das „politische Trilemma der Weltwirtschaft“ nach Rodrik angewandt auf die europäische Integration (vgl. auch „The Truth About Sovereignty“)?

Das politische Trilemma der Weltwirtschaft beschreibt den Zielkonflikt, der in der Erreichung der drei größten gesellschaftsökonomischen Fortschritte unserer Zeit schier unüberwindlich vor uns liegt.

Ein marktorientierter Staatenverbund wie die Europäische Union, der aus einzelnen demokratischen Nationalstaaten besteht und sich am globalisierten Weltmarkt behaupten muss, ist in diesem politischen Trilemma gefangen.

„Wir können höchstens zwei davon auf einmal haben. Wenn wir den Nationalstaat beibehalten und dazu Hyperglobalisierung wollen, müssen wir die Demokratie vergessen. Und wenn wir Nationalstaat und Demokratie beibehalten wollen, müssen wir uns von der tiefen Globalisierung verabschieden.“

Dani Rodrik – Das Globalisierungsparadoxon 2011 – S. 261

Was bedeutet dieses politische Trilemma nun für die europäische Integration?

Die europäische Integration muss nun im Dreieck des politischen Trilemmas weitergeführt werden. Welchen trade-off zwischen Hyperglobalisierung, Nationalstaaten und der politischen Demokratie die europäische Integration abbilden wird, lässt sich nur erahnen.

  1. Die Europäische Union ist historisch aus Nationalstaaten gewachsen. Es bedarf eines langen Neuorientierungsprozesses der europäischen Politiken bis der Nationalstaat wie wir ihn kennen, seine hoheitlichen Aufgaben zu Gunsten einer Globalregierung aufgeben wird. Der Nationalstaat müsste zurücktreten.
  2. Die Hyperglobalisierung ist erstrebenswert, da sie hinderliche Wirtschaftsschranken beseitigen und den internationalen Handel dank standardisierter Normen vereinfachen würde. Die Transaktionskosten globalen Wirtschaftens würden sinken. Auf der anderen Seite müsste die Europäische Union selbst Kompetenzen an eine „Weltregierung“ abtreten. Die politische Demokratie würde leiden.
  3. Die Demokratie und der Nationalstaat sind uns wichtig. Ergo muss die politische Globalisierung leiden. Jedoch entbehrt diese Schlussfolgerung der politischen Realität. Man sehe sich zum Beispiel nur das Außenhandelsvolumen Österreichs an. Dem globalisierten Weltmarkt den Rücken zu kehren ist mit dem systematischen, wirtschaftlichen Niedergang des betreffenden Nationalstaates gleichzusetzen.

Frage 2: Welche Einwände bringt Bieling gegenüber dem Argument, dass die europäische Integration von ihrem Beginn an als „neoliberales Projekt“ zu charakterisieren sei?

Bieling bringt ganz klar zwei Gründe, warum die Perspektive, dass die Europäische Union seit den Römische Verträgen kein neoliberales Projekt ist. (EU Neoliberale Handlungsrarena – Bieling – 2003 – S. 60)

  1. Die neoliberalen Akteure haben sich in der 70er Jahren mehr als „globale Entwicklungskonstellation“ gesehen, die Gerard Ruggie 1982 als „embedded liberalism“ bezeichnet hat. Der Liberalismus wurde also von anderen wirtschafts- und sozioökonomischen Elementen „eingehegt“ oder flankiert. Es war dem Neoliberalismus also technisch gar nicht möglich zu einer Entfaltung zu gelangen, die die Kritiker einer „neoliberalen“ Europäischen Union so gerne ins Treffen führen.
  2. Entgegen der neoliberalen Doktrin der Eigenverantwortung des Individuums, wurde dank hoher Wachstumsraten und Produktivitätssteigerungen der nationalen Ökonomien der Wohlfahrtsstaat deutlich erweitert. Erst als die Liberalisierungen auch den Dienstleistungssektor und die nicht-tarifären Handelsbarrieren erstreckte, kann man von einem neoliberaleren Zugang der Europäischen Union sprechen. Als komplett neoliberal würde ich die Politiken der EU nicht bezeichnen.

Frage 3: Vor dem Hintergrund der Analyse von Bieling und Rodrik, diskutieren Sie wie sich die Bedingungen für eine Begrenzung des Deregulierungswettlaufs in der EU durch die Wirtschaftskrise verändert haben

Die europäische Integration schreibt Deregulierung als Maßnahme zum Abbau von Handelshemmnissen und Transferkosten vor. Diese in der Realwirtschaft für die meisten global agierenden Akteure sehr erfreuliche Doktrin wird in Zeiten der Wirtschaftskrise relativiert und in regulatorischerer Form auf das System der Finanzmärkte ausgeweitet werden. Ein Grund für die Wirtschaftskrise war unter anderem die neoliberalistische Deregulierung der großen Finanzakteure.

Um beim politischen Trilemma Rodriks zu bleiben, finden wir uns derzeit in einer Transformation der europäischen Integration und Wirtschaftspolitik. Das Dogma der Hyperglobalisierung tritt zu Gunsten der regional spezialisierten Wirtschafts- und Finanzpolitik in den Hintergrund. Die politische Demokratie ist in Zeiten des wirtschaftlichen Überlebenskampfes (nicht nur in einigen peripheren Mitgliedsstaaten der EU) ein unerlässliches Mittel zur Mehrheitsfindung und Rückgabe der Mitbestimmungsmacht an die nationalen Entscheidungsgremien.

Anfrage an Datenschutzkommission – Unerwünschte Wahlwerbung

Da mir die postalische Wahlwerbung sehr am Wecker geht, habe ich mich bei der Datenschutzkommission erkundigt, ob man sich in der Wählerevidenz dafür sperren lassen kann – also keine Wahlwerbung der Parteien mehr bekommt.

Heute habe ich schon eine kompetente Antwort erhalten. Kurz gesagt: Man kann sich nicht sperren lassen und erhält auch weiterhin kiloweise unnötige Wahlwebung nach Hause gesandt.

Danke an die Datenschutzkommission für die rasche Bearbeitung meiner Anfrage.

Eine unverbindliche Einschätzung der Rechtslage führt jedoch zu dem Schluss, dass zumindest die Übermittlung der Daten an die politischen Parteien eine gesetzlich vorgesehene Datenverwendung ist, gegen die kein wirksamer Widerspruch erhoben werden kann.

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Spaziergang der Freunde der Architekturfotografie zur #NSAvilla in Wien Währing – A walk to the NSA Safehose in Vienna Austria

In meinem ersten Blog über die #NSAvilla in Wien Währung habe ich einen Radfahrer erwähnt, der auf der Straße vom diensthabenden Exekutivbeamten perlustriert wurde. Ich habe vermutet, dass der Radler wegen Gehsteigradelns Strafe zahlen musste.

Dies hat sich mittlerweile als falsch erwiesen. Der Blogger Raphael schreibt einen Tag später, dass er wegen Fotografierens des US Objekts perlustriert wurde. Er war mit dem Rad unterwegs. Was für ein Zufall! Da wird der eine angehalten und der andere hat die Chance Fotos zu machen. Teamwork ohne Team sozusagen. Raphael’s Blog hat wiederum den Wiener Kommunikator Rudi Fußi auf den Plan gerufen, der flugs zu einem Sonntagnachmittagsausflug interessierter Architekturfotografen zur #NSAvilla via Facebook einlud. Der Spaziergang war eine willkommene Einladung für mich das Objekt ein weiteres Mal zu besuchen.

Nachdem ich meine Fotos ja schon gemacht hatte, konnte ich mich also heute voll und ganz auf das Spektakel an sich konzentrieren. Es hatte sich ja auch Peter Pilz angesagt und der gilt ja seit Jahrzehnten als Garant für besondere Einlagen, wenn es darum geht die Exekutive aufs Korn zu nehmen. Also habe ich vorab die Beamten schon ein bisschen beobachtet.

https://twitter.com/StephanUllrich/status/376680350598311936

Gegen fünfzehn Uhr trafen etwa einhundertfünfzig Bürger, Journalisten, Politiker und in etwa drei interessierte Architekturfotografen bei der #NSAvilla in Wien Währing ein. Für die Sicherheit der spaziergehenden Kulturinterssierten sorgte einerseits das Mitglied des nationalen Sicherheitsrates Peter Pilz und andererseits die ehemals sogenannte WienerEinsatzGruppeAlarmabteilung.

Architekturdokumentation. Einführungsvorlesung.

Als man sich vor dem Tor der #NSAvilla eingefunden hatte, wurden die eifrigen Dokumentare zeitgenössischer Spionagearchitektur von der Veranstaltungsleitung erst einmal auf die Besonderheiten des Gebäudes hingewiesen. Man ist ja kein Architekt, aber etwas mehr hätten die Vortragenden auf die Baulichkeit schon eingehen können.

Pilz: „Den Rest klären wir im Sicherheitsrat. […] Der steht unter strengster Geheimhaltung und ich werde dann im Anschluss gerne berichten…“

Die WEGA langweilte sich im Schatten während vor dem Tor der #NSAvilla wild geknipst, gedreht, und gemunkelt wurde. Auf meine Frage an Pilz welche architektonische Stilrichtung nun dem besagten Gebäude zu Grunde läge, bekam ich leider keine Antwort. Ein Stimme aus dem Off meinte trocken: „Bauweise? – Neoliberal“ Raunen und Gelächter im Publikum.

Rudi Fußi, seines Zeichens Initiator der Fotosafari, beim Interview für Wien Heute. Ein recht witziger Bericht war am Abend im Regionalfernsehen des ORF Wien  zu sehen.

ORF-Reporter: „Haben Sie damit heute Gegenspionage oder Abwehr betrieben?“

Fußi: „Ich glaub, weder noch. Es ist ein Spaziergang. Nicht mehr und nicht weniger.“

Streng Geheim: Spaziergang zum NSA-Stützpunkt? via ORF TVThek

Eine kleine Unterredung mit dem Einsatzleiter der Exekutive musste natürlich auch sein. Dieser bestätigte Pilz, dass es keinen Befehl zur Identitätsfeststellung der Fotografierenden mehr gäbe. Hmmm. Na gut. Dabei hatte jeder ganz brav seinen amtlichen Lichtbildausweis mitgebracht. Die freundlichen Beamten nahmen die ganze Sache mit Humor und hielten sich dezent im Hintergrund.

Abschließend hatte ich noch die Möglichkeit Pilz kurz zu befragen was er denn eigentlich gegen die Datensammlerei der Amerikaner konkret tun würde. Denn bis dato geht es ihm ja schlicht darum, dass die österreichische Exekutive die #NSAvilla bewacht und Mietsherrifs den Wachebeamten Anweisungen erteilen, die wiederum die Identität von interessierten Hobbyfotografen feststellen. Nicht hat er gesagt was er gegen den Datenhunger der US-Behörden an sich tun will. Ein lapidares „Damit wird sich der Nationale Sicherheitsrat auch beschäftigen“ war Pilz zu entlocken.

Es wäre falsch die #NSAvilla zum Wahlkampfthema zu machen

Die Befehle der Wachebeamten interessieren Pilz offenbar mehr als die systematische Ausspähung österreichischer Kommunikation im Netz. Das gibt im Wahlkampf auch mehr her und ist griffiger. Es ist einerseits einfacher amtierende Minister – egal ob rot oder schwarz – im Wahlkampf anzupatzen, als Stimmung gegen den für den Durchschnittsbürger schwer greifbaren Überwachungsapparat der USA zu generieren. Andererseits ist es aber die Simplifizierung und Modifikation auf Wahlkampfsprech eines viel größeren Problems, das die Menschenrechte aufs Tapet bringt. Das will Pilz anscheinend nicht thematisieren. Hier war mehr zu erwarten.

Wie im Grundbuch steht, gehört das Anwesen bereits seit 1971 der US Botschaft. Wieso wusste Pilz als Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates nichts davon? Dieses Spielchen würde der Diskussion um Netzneutralität, Datenspinonage, Hardwaremanuipulation et cetera dem österreichischen Wahlkampf zum Opfer fallen.

Es wird die NSA auch wohl kaum interessieren, falls die österreichischen Exekutivbeamten vollends abgezogen werden. An der Überwachungsmaschinerie wird das nichts ändern. Darauf hätte ich mir eigentlich konkretere Antworten von Pilz erwartet, als diesen platten Angriff auf das Innen- und Verteidigungsministerium.

Wenigen Fotosafaristen ging es um die Wachbefehle der Exekutive. Vielen anderen ging es um die Datenüberwachung der Amerikaner in Österreich.

Storify mit allen wichtigen Tweets von derStandard.at/web

ORF Wien Heute TVThek Bericht

Die #NSAvilla in Wien – Ein Lokalaugenschein

Wie das Nachrichtenmagazin FORMAT gestern erstmals berichtet hat, gibt es am westlichen Wiener Stadtrand eine „Lauscheinrichtung“ der NSA.

Eingebettet in die ruhige Gegend eines Wiener Außenbezirkes, haben sich die US-Spione ein strategisch günstig gelegenes Fleckchen Wien ausgespäht. In Anlehnung an den deutschen Daniel Bangert und seinen Spaziergang zum Dagger Complex wollte ich auch eine kleine Fotosafari unternehmen. Um die Späher ein wenig auszuspähen.

FORMAT hat allerdings ausdrücklich erwähnt, dass es die Veröffentlichung von Fotos aus rechtlichen Gründen unterlässt. Hmm. Welche rechtlichen Gründe das sind, wird leider nicht erwähnt. Außerdem hat Peter Pilz auf Facebook geschrieben, dass das PKW-Kennzeichen seines Fotografen notiert wurde, den der Grün-Abgeordnete offensichtlich losgeschickt um die #NSAvilla abzulichten. Ich bin weder Jurist noch Fotograf oder Journalist. Dementsprechend habe ich mir mal so meine Gedanken über rechtliche Konsequenzen gemacht.

DerStandard hat Anfang Juni über ein angebliches Fotografierverbot vor der chinesischen Botschaft in Wien berichtet. Die österreichischen Behörden haben bestätigt, dass die Verhängung eines Fotografierverbot seitens der Botschaft nicht legal ist. Trotzdem kann das Innenministerium ein solches Verbot erlassen. Und vor besagten Villa stehen österreichische Exekutivbeamten – keine Mietsheriffs. Ob ein Fotografierverbot für die #NSAvilla besteht, weiß ich nicht und habe somit wahrscheinlich fahrlässig gehandelt, als ich mich heute Nachmittag auf die Fotosafari gemacht habe. Zu meiner Verteidigung muss gesagt werden, dass es vor Ort keine Hinweise auf besondere Vorschriften oder Verbote gibt.

Also bin ich los. Es war nicht sehr schwer die genaue Adresse über Twitter und das DerStandard Forum herauszubekommen. Schwieriger war es möglichst unauffällig ein paar Schnappschüsse zu machen und dabei nicht erwischt zu werden. Ich hatte ja keine Ahnung was mir blühen könnte und musste davon ausgehen, dass die werten US-Spione auch das FORMAT lesen und eventuell Hobby-Fotografen in Scharen erwarten würden. Dem war nicht so. Ich hatte Glück.

Der Exekutivbeamte, der auf der Straße Wache gehalten hatte, war nämlich tatsächlich soeben dabei einen auf dem Gehsteig gegenüber radelnden Mann anzuhalten und zu beamtshandeln. Nur so nebenbei: Der Radler musste wirklich Strafe zahlen. Das Wachhäuschen blieb leer und ich war bis auf die unzähligen auf die Straße gerichteten Kameras unbeobachtet. Das gab mir die Gelegenheit ein paar schnelle Schnappschüsse zu machen und wieder abzuhauen.

Die von der Straße sichtbaren Antennen am Dach des Komplexes lassen auf nicht weniger als achtundreißig Fernseher schließen. Auf Google Maps kann man auch eine Art Gartenhaus erkennen auf dem sich zusätzliche Sende- und Empfangseinrichtungen befinden. Tageslicht mögen die Spione anscheinend auch nicht so gern. Fast alle Jalousien sind geschlossen.

Angespornt von meinem neu entdeckten konspirativen Fähigkeiten – also Glück, habe ich trotzdem noch den Versuch gewagt ein Video aus dem fahrenden PKW zu drehen. Das Ergebnis war trotz professionellster Kamerapositionierung – eingequetscht zwischen Rückenlehne des Beifahrersitzes und Kopfstütze – eher bescheiden.

Heute ist außerdem publik geworden, dass die NSA auch bis dato als sicher eingeschätzte Verschlüsselungstechniken knacken kann. Die Entschlüsselung Österreichischer Internetdaten könnte also genau hier – in der #NSAvilla passieren.

Dritte Räder Classic – Siegmundsherberg/Lower Austria

Die Geschichte des Kraftfahrzeugmuseums Sigmundsherberg . .

. . . begann bereits in den späten 60er, frühen 70er Jahren des 20. Jhdts., als das Interesse des Wiener Unternehmersohnes Ottokar Pessl an interessanten und ausgefallenen Automobilen so groß wurde, dass er sich, sehr zum Missfallen seines Vaters, den ersten Cadillac kaufte.
Bald kamen weitere Fahrzeuge hinzu und im Laufe der Jahre entstand eine bemerkenswerte Sammlung, für die bald der Platz zu klein wurde.

In Sigmundsherberg findet sich 2010 schließlich eine geeignete Halle in der ca. 150 Automobile eine neue Heimat bekommen und wo sie auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Durch die Ansiedlung des Kraftfahrzeugmuseums erfuhr die kleine Gemeinde Sigmundsherberg, bisher nur mäßig bekannt als Eisenbahnknotenpunkt, eine enorme Aufwertung als Museumsstandort.
Bereits 1987 wurde hier das Eisenbahnmuseum eröffnet, 2009 übersiedelt das 1. Österreichische Motorradmuseum von Eggenburg hierher und im Jahr darauf nahm das Kraftfahrzeugmuseum den Betrieb auf.

Noch im selben Jahr wurde die enge Zusammenarbeit mit der Gründung der Dachmarke „Räder Classic“ besiegelt. Der erste gemeinsame Auftritt fand im Jänner 2011 auf der „Classic Car Show“ in Wien statt und im August 2011 fand in Sigmundsherberg die „1. Räder Classic“ Oldtimer-Veranstaltung statt.

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Neben den rund 150 Automobilen der Dauerausstellung des Kraftfahrzeugmuseums, wurden auch wieder die gepanzerten Fahrzeuge aus der Sammlung vorgeführt. Hier ein paar Videos der 3. Räder Classic.

Military Vehicles Show – Tiger vs. US Army

Military Vehicles Show – German Schützenpanzerwagen

Military Vehicles Show – Driving M3 Halftrack near Tiger Tank

Military Vehicles Show – Driving M3 Halftrack

Military Vehicles Show – US Truck

Military Vehicles Show – US Truck towing off M3 Halftrack

Gerätelose Kampftaucher in 2200m Höhe

Ein nicht ernst gemeinter Härtevergleich und ein bisschen Wehmut

Seitdem bekannt wurde, dass die Fidschi Inseln eventuell die österreichischen Truppen auf den Golan Höhen ersetzen könnten, hat meinereins das Interesse an dem kleinen Inselstaat gepackt. Ein paar interessante Fakten will ich kurz niederschreiben.

Die Fidschi Inseln geben 1,6 Prozent ihres BIPs für die Landesverteidigung aus. Österreich leistet sich 0,8 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleitung für seine Verteidigung. Nun ja, die Fidschis sind eben auch noch ein wenig kleiner als Österreich.

Obwohl die Fidschis das Doppelte an Wirtschaftsleitung in das Militär stecken, gelten auf den kleinen Südseeinseln 180.000 Mann als „fit for military service“. Im kleinen Alpenstaat sind es angeblich knapp 1,6 Millionen. Aber die CIA muss es ja wissen.

http://undof.unmissions.org/Default.aspx?tabid=9239&language=en-US

Bemerkenswert ist auch, dass die fidschianische Armee angeblich nur einen Hubschrauber und ein gepanzertes Fahrzeug unterhält, dafür aber schon mehrmals geputscht hat. Das kann ich mir nicht ganz vorstellen, liebe Wikipedia.

Dafür kann Österreich keine 300 wahrscheinlich top ausgebildete Marinesoldaten aufbieten. Ist aber relativ unnötig, seitdem der Eiserne Vorhang den Neusiedlersee nicht mehr teilt und meine Freunde und ich ungehindert nach Fertőrákos segeln dürfen. Ein nettes Örtchen übrigens.

Politisch brisanter als die Zahlenvergleiche ist, dass die fidschianische Regierung heute in zwei Wochen, am 27. Juni, dem russischen Präsidenten einen Besuch abstatten wird.

Es liegt mir fern einen Zusammenhang herzustellen zwischen einem wahrscheinlich bereits lange geplanten Staatsbesuch und einen möglichen Engagement der Fidschi Inseln an der UNDOF am Golan. Bemerkenswert ist es trotzdem.

Die diplomatische Agenda mag eventuell ein wenig abgeändert werden. Ein Schelm, wer Böses denkt, aber der Staatsbesuch mag wohl abgesagt werden oder in begrenztem Rahmen stattfinden. Zu unangenehm wäre der Beigeschmack.

http://undof.unmissions.org/Default.aspx?tabid=9239&language=en-US

Die Fidschis unterstützen einige Auslandsmissionen im Rahmen der UN. Es wäre nicht überraschend, wenn die Insulaner die abziehenden Truppen (möglicherweise mit anderen Staaten) am Golan ersetzen würden. Das mit den Menschenrechten sollten sie noch besser  machen, sagt Human Right Watch.

The government of Fiji should end human rights abuses that threaten to undermine the legitimacy of the process begun to draft a new constitution, Human Rights Watch and the International Trade Union Confederation (ITUC) said today in a letter to Prime Minister Josaia Voreqe Bainimarama. Fiji’s interim government announced in March the beginning of long-promised consultations on a new constitution, an important first step toward 2014 elections.

Dem vierzig Jahre lang dauernden österreichischen Auslandsengagement in einem der politisch schwierigsten Gebiete der Welt erweise ich Dank, Anerkennung und Respekt. Das österreichische Bundesheer hat ausgezeichnete Arbeit geleistet. Über die tatsächlichen Bedrohungslagen und deren Details wird man wohl erst in geraumer Zeit erfahren. Das politische Urteil mag ein anderes sein als das militärische. Vor allem das außenpolitische.

PS: Wie siehts eigentlich mit Schweden aus? Machen die jetzt mit?

Fiji Government Online
UNDOF
Republic of Fiji Military Forces

Fotos:UNDOF/Tom Zoehrer

Ich weiß, was ich letzte Nacht getan hab.

Wir waren gestern mit ein paar Freunden am Donaukanal strawanzen.

Garmin quatix

Die Gelegenheit musste genutzt werden um die neue Garmin quatix auszuprobieren. Diese GPS-Uhr spielt wirklich alle Stückerln.

Abgesehen von den üblichen Sensordaten wie Kompass, Temperatur, Barometer und den üblichen Spielereien, bietet dieses Gadget ein ziemlich genaues Bewegungsprofil und unzählige nautische Funktionen wie z.B. Wendeassistent, Startlinienassistent, MOB-Alarm uvm.

In Verknüpfung mit einem Garmin Programm lassen sich die Trackdaten in Google Earth darstellen.

Google Earth Donaukanal Treiben

Herausgekommen ist auch ein kleines Video.

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AUT-SWE

Österreichischen Fußball versuche ich zu meiden. Internationalen Begegnungen kann ich aber etwas abgewinnen. Wie schon für die WM-Quali 98 – damals auch gegen Schweden – waren wir also wieder einmal im Wiener Ernst-Happel Stadion zu Gast. Mein Dad und ich nebenbei. Dass dieses Wochenende auch der von uns nicht besonders hochgehaltene Vatertag ist, hat sich zufällig ergeben.

Wir genossen den 2:1 Sieg über Schweden. Ja, ein verdienter Erfolg für unsere Nationalmannschaft. Nach eher enttäuschenden ersten 20 Minuten hat sich unser Team recht gut eingespielt und eine Chance nach der andere provoziert. Die Schweden waren in der Defensive. Mangels fußballerischem Wissen erspare ich dem geschätzen Leser meine stümpferhaften Analysen. Da gibts acht Millionen andere Experten in Österreich.

Ein paar Bilder habe ich auch geschossen.

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34th America`s Cup – Der hässlichste Pot.

The America's Cup

Diesen Sommer findet der America`s Cup zum 34. Mal statt. Und wiedermal matchen sich die weltbesten Segler auf den schnellsten Booten um den hässlichsten Pot, den die Sportgeschichte jemals gesehen hat.

Die fliegenden Boote begeistern zwischen 7. und 21. September vor der zauberhaften Kulisse der San Francisco Bay. Den gesamten Schedule inklusive der vielen Ausscheidungs- und Nebenregatten findet man hier.

Die sieben Teams müssen sich zuerst in den kleineren AC45 Kats bewähren, bevor das Finale mit den riesigen AC72 Kats bestritten wird. Die Finalboote sind immerhin 22 Meter lang, 14 Meter breit und ihr Mast kratzt die Wolken in 40 Metern Höhe. Die elfköpfige Crew und weniger als sechs Tonnen Masse werden von 660 m² Segelfläche auf über 40 Knoten beschleunigt. Das Video unten gibt einen guten Überblick über die Dimensionen dieser Boote, die wegen ihrer Flügelriggs und der Foils praktisch über die Wellen fliegen.

Das Oracle Team USA wird auf dem größeren AC72 beim Training durch das Flügelrigg auf mehr als 40 kts gepeitscht. Das entspricht etwa 74 km/h.

Dass der America’s Cup nicht allzu ungefährlich ist, hat uns der tödliche Unfall von Andrew ‚Bart‘ Simpson gezeigt, der vor wenigen Wochen beim Crash seines AC72 mit dem Team Artemis auf tragische Weise ertrunken ist.

Stell dir vor ein Opti säuft ab und keiner geht hin …

Letztes Wochenende in Neusiedl am See. Wegen zu viel Wind konnten wir mit dem 49er nicht fahren. Daher haben Reini und ich die Segelschüler der Segelschule Neusiedl beobachtet. Nicht weit vom Ufer entfernt sehe ich plötzlich wie ein Optmist absäuft.

Ist mir selbst mal auf der Alten Donau passiert. Aber mir hat man geholfen.